Julian Heeb: «The Innovation Award is mainly a confirmation for our idea».

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ETH Alumnus Julian Heeb graduated 2006 from a master in Electrical Engineering and Information Technology. With ginto, he and some friends developed an app for accessibility for people with a disability that rates restaurants, bars and shops. This app recently won a digital and an innovation award. In an interview, Julian tells us about his experiences at ETH as well as how he got the idea for this app.

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This page is not translated. Please refer to the German version below.

Wir möchten mit ginto eine Plattform bereitstellen, dank welcher Personen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen selbst entscheiden können, ob und wie etwas für sie zugänglich ist.Julian Heeb

Du hast an der ETH Elektrotechnik und Informationstechnologie studiert. Wie kamst Du dazu?

Ich interessierte mich schon immer für Technik, Elektronik und Computer. Nach der Matura war mir klar, dass ich etwas in diese Richtung machen will. Da musste ich nicht lange überlegen.
Ich hatte die Wahl zwischen einer Fachhochschule oder der ETH. Die Ausbildung war bei der Hochschule etwas theoretischer und auch breiter, das hat mich gereizt.

Was hat Dir das Studium gebracht?

Zum Zeitpunkt meines Abschlusses suchten die Firmen viele Software Entwickler. Das war mein Glück. So fand ich recht schnell den Einstieg. Am Anfang hatte ich Befürchtungen, dass es für mich schwieriger wird, da ich im Rollstuhl sitze. Das war dann aber nicht der Fall. Ich hätte praktisch überall anfangen können, wo ich mich beworben habe.

Die Leute waren immer sehr hilfsbereit. Daher habe ich das Studium als sehr positiv erlebt.Julian Heeb

Du sitzt im Rollstuhl, damit hast Du das Studium sicher anders erlebt. Was waren Deine Herausforderungen?

Das waren vor allem die baulichen Herausforderungen. Teilweise sind es alte Gebäude, teilweise sind es Wohngebäude. Ich konnte immer jede Vorlesung besuchen. Aber um zu wissen, wo ich wie in die Gebäude komme, brauchte es Zeit. Im Laufe des Studiums kannte ich die Gegebenheiten der Gebäude, die ich besuchen musste.
Die Leute waren immer sehr hilfsbereit. Daher habe ich das Studium als sehr positiv erlebt. Es wurde auch kein grosses Aufheben wegen mir gemacht, die Leute waren sehr pragmatisch. Ich konnte aber selten den gleichen Weg wie die anderen Studierenden nehmen. Oftmals musste ich durch einen Seiteneingang rein. Mit der Selbständigkeit war es schwierig: Wenn ich Verspätung hatte, und die Türen schon verschlossen waren, musste ich Hilfe suchen. Mit dem Elektrorollstuhl kam ich beispielsweise in kleine Lifte nicht rein, also musste ich den Warenlift benutzen. Diese haben wiederum schwere Schwenktüren, welche ich selber nicht aufmachen kann.

Das Hauptgebäude, was ja das Älteste ist, fand ich fast am besten: Gleich bei der Bushaltestelle gab es einen Eingang, der ebenerdig war. Mit dem Lift kam ich von dort in die verschiedenen Stockwerke. Denn zu meiner Zeit gab es die Rampe am Haupteingang noch nicht. Aus Denkmalschutzgründen war die nicht erlaubt. Für die Kurse im Hönggerberg organisierte ich einen Behindertenfahrdienst, der mich hin und her fuhr. Denn damals waren die Shuttle Busse noch nicht barrierefrei.

Die Bedürfnisse von uns Menschen im Rollstuhl sind sehr individuell und auch situationsabhängig.  Julian Heeb

Mit ginto hast Du eine Zugänglichkeitsapp entwickelt und damit einen Digital Award und Publikumspreis gewonnen. Was war der Auslöser für die Idee?

Generell habe ich ja das Problem, dass ich nicht weiss, ob ich in ein Gebäude kann oder nicht. Mein Schlüsselerlebnis war, als ich während des Studiums an ein Treffen eines Fachvereins wollte. Das fand in einem Restaurant statt, dass ich kannte und daher wusste, dass es für mich zugänglich ist. Also fuhr ich von St. Gallen nach Zürich. Das Treffen fand allerdings im Keller statt. Also musste ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Das war für mich die Initialzündung.

Also startete ich erste Experimente für eine digitale Zugänglichkeitsplattform. Mir war es wichtig, dass ich die Plattform gemäss dem Crowdsourcing-Prinzip aufbaue, analog zu Wikipedia, so dass jeder Nutzer selber Informationen eingeben und bearbeiten kann. Meine Experimente waren immer erfolgreicher, was dazu führte, dass ich 2013 den Verein AccessibilityGuide gründete. Die Entwicklung der App erfolgte in der Freizeit, das verzögerte das Projekt. Mit der Gründung des Vereins war es uns möglich, Gelder zu sammeln, damit wir die Entwicklung der App extern in Auftrag geben konnten. Das beschleunigte den Prozess.

Viele gegenwärtig verfügbare Informationen anderer Anbieter beschränken sich darauf anzuzeigen, ob etwas rollstuhlgängig ist oder nicht. Doch was heisst das genau? Die Bedürfnisse von uns Menschen im Rollstuhl sind sehr individuell und auch situationsabhängig. Oft ist es zum Beispiel so, dass gewisse Räume eines Restaurants rollstuhlgängig sind, aber nicht alle. Ist das Restaurant nun zugänglich oder nicht? Ziel von ginto ist es, objektive Informationen zur Zugänglichkeit erfassen und abzufragen. Wir fragen verschiedene Kriterien wie Stufen, Lifte, Rampe, Tische, Türbreite etc. nach. Die Fragen sind so aufbereitet, dass alle, auch Nicht-Rollstuhlfahrer, diese beantworten können.
Nutzerinnen und Nutzer von ginto können in der App ein persönliches Bedürfnisprofil anlegen. Die Informationen werden anschliessend basierend auf dem erstellen Bedürfnisprofil angezeigt. So erhalten sie alle relevanten Informationen, damit sie selber entscheiden können, ob der Zugang für sie möglich ist oder nicht.

Die App ist daher für Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen von Nutzen. Eine Nutzerin gab uns kürzlich das Feedback, dass sie MS hat und auf einen Rollator angewiesen ist. Eine Stufe ist für sie machbar, eine Treppe wird aber zur Herausforderung. In ihrem Profil hat sie nun hinterlegt, dass eine Stufe OK aber eine Treppe nicht OK ist. Sie erhält nun die Zugänglichkeitsinformationen so angezeigt, wie es ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Das ist unsere Vision: Wir möchten mit ginto eine Plattform bereitstellen, dank welcher Personen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen selbst entscheiden können, ob und wie etwas für sie zugänglich ist.

Was bedeutet Dir dieser Publikumspreis?

Der Publikumspreis ist für uns vor allem eine Bestätigung unserer Idee. Denn ich stelle mir schon immer wieder die Frage, ob sich der Aufwand tatsächlich lohnt, und ob es ein Bedürfnis für die App gibt. Es war nicht einfach, die ginto App zu vermarkten und unsere Arbeit der breiten Öffentlichkeit und somit unseren Nutzern bekannt zu machen. Wenn aber eine professionelle Jury das Produkt beurteilt und den Award dann vergibt, ist das schon eine coole Sache und Bestätigung.

Zurzeit haben wir bereits über 2’600 Nutzerinnen und Nutzer. Ausserdem sind über 4'000 Lokalitäten erfasst. Durch diesen Preis werden wir bekannter. Das brauchen wir, damit die App erfolgreich sein kann. Da die Idee auf Crowdsourcing basiert, brauchen wir möglichst viele aktive Erfasser, um eine kritische Masse zu erreichen, damit eine Eigendynamik entsteht. Diese haben wir meines Erachtens noch nicht ganz erreicht, sind aber auf einem guten Weg. Wir organisieren Events, um beispielsweise Städte zu erfassen, was die Anzahl an Einträgen beträchtlich steigert. Insofern hilft uns auch dieser Preis, um die kritische Menge zu erreichen.

Was möchtest Du den Studierenden von heute gerne mitgeben?

Ich finde es wichtig, dass man offen bleibt für andere Sachen. Man soll sich nicht nur für das Studienfach interessieren, sondern laufend den Horizont erweitern. Neugierde ist dabei eine ganz wichtige Eigenschaft. Und natürlich finde ich Engagement für den guten Zweck wichtig.

 

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