Arno Candel: «Die ETH hat mir die Fähigkeit gegeben, Probleme zu lösen.»

Arno, Du hast an der ETH Physik studiert. Was hat Dich damals zu dieser Studienrichtung bewogen?

Als Kind habe ich schon immer gerne gebastelt, und seit meiner Jugend interessiere ich mich für physikalische Phänomene und Gesetze sowie die Entwicklung und Anwendung innovativer Technologien. Für mich ist Physik das Fundamentalste, ja das Grundlegendste, was es gibt. Ich war von klein auf sehr neugierig und wissbegierig, hatte einen starken inneren Willen, wollte immer dranbleiben und nie aufgeben. Später kam die Faszination für Computer und Computersimulationen dazu. Schlussendlich ist aus meinem Hobby, dem Basteln, mein Beruf und eine Lebensaufgabe geworden.

Was hat Dir die ETH mit auf den Weg gegeben?

Mein ETH Studium war die ideale Vorbereitung für meinen zukünftigen Werdegang. Ich habe dort die wichtigen naturwissenschaftlichen Grundlagen gelernt. Der mathematische Ansatz und die analytische Denkweise helfen mir noch heute, Probleme möglichst schnell zu lösen. Da ich nie «nein» sagen wollte, wurde aus dem Studium ein Doktorat in Physik an der ETH in Zusammenarbeit mit dem PSI. Mein Weg führte mich nach der Grundlagenforschung am PSI, wo ich Computer-Simulationen für die Teilchenphysik entwickelte und mit dem CERN bei der Entwicklung einer neuen Generation von Teilchenbeschleunigern zusammenarbeitete, an die Stanford University. Mein Wissen war dort sehr gefragt und mein erstes Jobangebot kam aus dem heiteren Himmel. Am SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) hatte ich für 6 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter Zugang zu den weltweit leistungsstärksten Computern und arbeitete weiterhin mit dem PSI und CERN zusammen. Ende 2011 wechselte ich in die Machine Learning Startup Szene im Silicon Valley und seit 4 Jahren bin ich nun bei H2O.ai. Diese Stationen haben mich geprägt, und waren zudem extrem spannend. Mein Background gibt mir jeden Tag die Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen.

Dein Karriereweg ist sehr inspirierend. Lebst Du Deinen Traum?

Ich bin ein Optimist und schon als Student wusste ich, dass ich laufend Neues ausprobieren und stets nach vorne schauen wollte. Auch wenn etwas unmöglich scheint, sollte man den Mut haben, es trotzdem anzugehen. Das habe ich am PSI eindrücklich erlebt und profitiere noch heute von den Erfahrungen aus jener Zeit, denn in Kalifornien werden ETH Absolventen für ihr fundiertes Wissen und Denkvermögen sehr geschätzt.

Hier gibt es unzählige Möglichkeiten, die Chance beim Schopf zu packen. Was ich die letzten Dutzend Jahre hier gelernt habe, ist, dass es nicht nur Wissen und Innovationskraft, aber auch eine ehrlich, authentische Mentalität und mitdenkende Art braucht, um erfolgreich zu sein. Zudem muss man sehr schnell auf Veränderungen reagieren können und noch mehr arbeiten wollen. Als Datenwissenschaftler ist man rund um die Uhr gefordert, an neuen Ideen zu tüfteln und diese möglichst rasch umsetzbar zu machen.

Deine Firma entwickelt Big Data-Lösungen mit Open Source Software. Was macht ihr genau?

Bei H2O.ai arbeiten wir u.a. mit einigen namhaften amerikanischen Krankenkassen, die ihre Daten dank unserer Software als Hilfsmittel für strategische Geschäftsentscheide und vor allem auch für Vorhersagen in der Gesundheitsvorsorge nutzen. Aber auch Kunden aus anderen Branchen, wie Telecom, Versicherungen und Finanzdienstleister sind an unseren Softwarelösungen wie «H2O-3», «Sparkling Water» und «Driverless AI» interessiert. Mitterweile benutzen die Hälfte der Fortune500 Firmen unsere Software. Damit lassen sich dank hochentwickelten Algorithmen aus gigantischen Datenmengen wichtige Erkenntnisse ziehen und Entscheidungsgrundlagen schaffen. Wir sind die Nr. 1 Open Source Machine Learning Plattform für Unternehmen. Da bei uns auch die besten Datenwissenschaftler der Welt arbeiten, können wir einerseits aufgrund unserer hochspezialisierten Software und andererseits basierend auf dem tiefen Kundenverständnis in neue Welten für die praktische Anwendung vorstossen. Allerdings kommen heute die besten Programmierer aus China und Russland, was natürlich den Konkurrenzdruck erhöht. Das gefällt mir!

Wie fühlst Du Dich mit der ETH immer noch verbunden?

Mein Mentor und ehemaliger ETH Präsident, Professor Ralph Eichler, war und ist einer meiner grössten Vorbilder und ein wichtiger Wegbereiter während meiner Zeit an der ETH Zürich. Damals habe ich ihn gefragt, wie ich die Physik mit etwas Praktischem verbinden könne. Er riet mir ans PSI zu gehen, was zu einer höchst bereichernden und inspirierenden Lernphase wurde. Ihm habe ich viel zu verdanken. Ich finde es jedoch wichtig, dass sich jede(r) selbst traut, auf erfahrene Leute zuzugehen, um sie nach ihrer Meinung und ihrem Rat zu fragen. Meine Eltern hatten mich damals dazu ermutigt.

Was ist Dein Rat an jetzige ETH Studenten, die gerne mal im Silicon Valley arbeiten möchten?

Das wahre Leben beginnt erst nach dem ETH Studium, und ich finde, dass es eine Kunst ist, stets zum Richtigen «ja» zu sagen. Deshalb lautet mein Rat an zukünftige ETH Studenten: «Wählt euren eigenen Weg! Habt den Mut über euren Schatten zu springen. Seid nicht schüchtern und macht das, was ihr gerne macht zu eurem Beruf, denn nur das bringt langfristig Befriedigung. Kommt ins Silicon Valley, wir suchen smarte Leute! Und wir stellen laufend neue Leute ein und sind an ETH Absolventen interessiert.»