Die Menschheit steht vor der gewaltigen Herausforderung, den durch ihre Treibhausgasemissionen selbst verursachten, rasant fortschreitenden Klimawandel einzudämmen. Die Netto-Gesamtemission von CO2 durch menschliche Aktivitäten muss dazu auf null reduziert werden. Auch die Schweiz hat sich diesem Ziel verschrieben. Schon seit einiger Zeit arbeiten Politik, Wissenschaft und Wirtschaft mit Hochdruck daran, die CO2-Emissionen in Gebäuden, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft zu reduzieren und Lösungen für die Reduktion der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu entwickeln.
Prof. Dr. Sonia Seneviratne, Klimaforscherin am ETH-Institut für Atmosphäre und Klima und Mitglied des Weltklimarats/IPCC zeigte eindrücklich, dass wir in einer Klimakrise sind. Und die Lage werde Jahr für Jahr schlimmer. Zunehmende Hitzeextreme, Dürren, Starkniederschläge, irreversible Biodiversitätsschäden… «Es ist Zeit für die Notbremse». Die bisher umgesetzten Massnahmen reichten bei weitem nicht aus, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Diese erfordere beispiellose soziale und wirtschaftliche Veränderungen und eine komplette Abkehr von der Nutzung fossiler Energien (Erdöl, Gas, Kohle).
Dr. Roger Ramer, Bundesamt für Umwelt, erläuterte die klimapolitischen Ziele der Schweiz und wie das Klima- und Innovationsgesetz KIG, welches das Stimmvolk am 18. Juni 2023 annahm, dabei klare Ziele setzt und mit Zwischenschritten den Takt angibt. Bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen Netto Null werden. Der Bund wird mit finanziellen Anreizen Unternehmen und Gebäudebesitzer unterstützen. Bund und Kantone sollen dabei eine Vorbildrolle einnehmen: ihre Verwaltungen müssen bereits bis 2040 Netto-Null werden, und zwar für die direkten (Scope 1) sowie die indirekten Emissionen (Scope 2) wie auch für die Emissionen von vor-und nachgelagerten Dritten (Scope 3).
Isabelle Castagna von der ETH Sustainability-Stelle erläuterte, wie die ETH ihren eigenen Betrieb fit für «Netto Null» macht. Das «ETH Netto-Null» Programm umfasst aktuell 9 transformative Projekte. Dabei soll der ganze ETH-Campus dekarbonisiert und vollständig auf nachhaltige Energie umgestellt werden. Dass der wissenschaftliche Betrieb einer weltweit führenden Hochschule auf internationalen Austausch und damit Flugreisen angewiesen ist, ist ein grosser Knackpunkt. Dem kann teilweise mit Online-Meetings und Zugreisen abgeholfen werden, und in Zukunft hoffentlich mit nachhaltig produziertem Flugbenzin.
Remo Diethelm und Pavan Chilukuri von Holcim brachten eine Industrieperspektive ein. Gebäude verursachen weltweit 38% der CO2-Emissionen – 10% sind von den Materialien und beim Bauen verursacht, 28% vom Betrieb der Gebäude. Die CO2-Emssionen von Holcim sind hauptsächlich durch die Zementproduktion verursacht – für die Wärme (1500 Grad) und von der chemischen Freisetzung von CO2 beim Brennvorgang. Die Referenten erläuterten, wie Holcim diese Herausforderung aktiv anpackt, sei es durch die Dekarbonisierung der zugeführten Energie, Anpassungen im Materialmix für Zement und die Entwicklung von CCUS-Technologien (Carbon Capture, Utilisation and Storage). Weitere Überlegungen gehen dahin, durch smartes Gebäudedesign weniger Zement zu verbrauchen und das Recycling von Baumaterialien zu fördern. Dass dabei die Profitabilität der börsenkotierten Holcim nicht beeinträchtigt werden soll, ist eine weitere Herausforderung.
Kompetent moderiert durch Dr. Christian Schaffner, Direktor des Energy Science Center der ETH Zürich, führte der Anlass vor Augen, dass die Marschrichtung in der Schweiz zwar stimmt - die Umsetzung aber massiv beschleunigt werden muss, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
Beim anschliessenden Apéro auf dem Dach der ETH genossen alle Teilnehmenden nebst den persönlichen Begegnungen das schöne Wetter und die wunderbare Aussicht auf das abendliche Zürich.