Auf den Spuren Naegelis in der ETH-Parkgarage

Der ‚Sprayer von Zürich’, Harald Naegeli, hat seit 1977 immer wieder die Tiefgarage der ETH aufgesucht, um seine legendären Strichfiguren auf den kahlen Betonwänden zu hinterlassen.  Gut 20 Alumnae und Alumni folgten am meteorologischen Sommeranfang höchst interessiert den fachkundigen Ausführungen von Anna-Barbara Neumann, der Kuratorin von Naegelis Stiftung und langjährigen rechten Hand.

Naegeli

Sachbeschädigung oder Kunst?

Seinerzeit reichte die ETH Klage ein gegen den Urheber der illegalen Sprayereien in ihrer Tiefgarage. Ironischerweise sind gerade deshalb Naegelis ETH-Werke akribisch von der Polizei dokumentiert worden. Die Fotografien der ‚Tatorte’ sind aktuell im 1. Stock des Chipperfield-Erweiterungsbaus des Kunsthauses zu sehen. Eine von rund 4000 Menschen unterschriebene Petition setzte sich Ende der 70er-Jahre für den Erhalt der Spray-Kunst an der ETH ein, sodass viele auch heute, nach der vom Architekturbüro Ruggero Tropeano organisierten umfassenden Renovation der Garage, besichtigt werden können.

Beim äusserst spannenden Rundgang erfuhren wir viele interessante Hintergrundinformationen: Das ganze Werk Naegelis in Zürich umfasste im Laufe der Jahre ca. 6000-7000 Figuren, etwa 60-70 sind noch erhalten. Davon sind sehr viele an der ETH, nicht zuletzt, weil sie dort vor Witterung und der Öffentlichkeit geschützt sind. Ausserdem wurde die ETH von der Klägerin zur Schutzbeauftragten. Sie liess beim im Oktober letzten Jahres fertiggestellten Umbau der Tiefgarage mit den auf zwei Geschossen verteilten Strichfiguren grosse Umsicht walten. Drei Figuren wurden gar mit einem komplizierten Verfahren als Skulpturen erhalten und sind jetzt im Baukunst-Zentrum der ETH gelagert. Naegeli hat diese restauratorischen Arbeiten, die insgesamt drei Wochen dauerten, interessiert persönlich verfolgt. Er habe für die Erstellung lediglich 30 Sekunden gebraucht, kommentierte er schmunzelnd!

Strafanzeige versus Kunstpreis

Nachdem Naegeli in Zürich verurteilt wurde und sogar eine Haftstrafe antreten musste, hielt er sich lange Jahre in Deutschland auf, wo man ihn nicht nur duldete, sondern schätzte. Er hatte zum Beispiel Ausstellungen in Köln oder Düsseldorf und wurde von Josef Beuys unterstützt. Es zog den Propheten dann aber 2020 wieder ins eigene Land. Wie schwer man sich mit ihm immer noch tat, verdeutlichte der fast gleichzeitige Erhalt einer Strafanzeige des Kantons und eines Kunstpreises der Stadt. Das Kunsthaus liess einen seiner Totentänze umgehend von seiner Fassade entfernen, zog später aber immerhin ihre Strafanzeige zurück. Auch beim Totentanz im Grossmünster gab es Probleme, weil er räumliche Grenzen überschritt.

Seit ein paar Jahre sprayt der streitbare Zeitgenosse aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, sondern zeichnet nur noch. Die Naegeli-Stiftung, geleitet von Anna-Barbara Neumann, kümmert sich um den Erhalt seiner Werke, die zur Geschichte von Zürich gehören.

Networking bei lauen Temperaturen

Nach dem rund eineinhalbstündigen Rundgang genossen die Teilnehmenden auf der ETH-Terrasse beim Alumni Pavillon einen feinen Apéro Riche des SV-Services mit Naegeli-Wein in allen drei Farben. Die Klosterkellerei Einsiedeln verkauft diesen dank der Naegeli-Etiketten höchst erfolgreich, zudem wird er in allen Péclard-Restaurants aufgetischt. Die leeren Flaschen durften von den Alumnae und Alumni mitgenommen werden. Ein geschichtsträchtiges Andenken an diesen wunderbar sommerlichen Abend an unserer Alma Mater.
 

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