Die Architektin, die in Zürich liebevoll «Safran-Nina» genannt wird
Warum sich für einen Beruf entscheiden, wenn man zwei Tätigkeiten kombinieren kann? Nina Behjati ist in Teheran geboren, hat später in Hamburg, New York und Zürich Architektur studiert und wichtige Bauprojekte mitverantwortet. Im Zürcher Seefeld ist sie aber vor allem für ihre zweite Passion bekannt: den Import von hochwertigem Safran aus ihrer alten Heimat.
Nina Behjati, Sie sind in Teheran geboren. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihren ersten drei Lebensjahren in Iran?
NINA BEHJATI: Ich habe eine starke emotionale Verbindung zu meinem Geburtsland. Meine Eltern haben das Land kurz vor der Revolution in Richtung Deutschland verlassen. Als Teenager reiste ich dann erstmals wieder in mein Herkunftsland. Sofort riefen die bekannten Gerüche frühste Kindheitserinnerungen hervor: Streetfood, Gebäudesequenzen, Erlebnisse mit der Grossfamilie.
Wie haben Sie als Familie Fuss gefasst in Deutschland?
Mein Vater hatte in Deutschland Chemie studiert, wir begannen deshalb nicht bei null. Auch für mich gab es keine Sprachbarriere, da ich in Teheran den Deutschen Kindergarten besucht hatte und zweisprachig aufgewachsen war. Gleichwohl war es eine bewegte Zeit. An meinem 14. Geburtstag rechnete mein Vater aus, dass wir in zehn Jahren zehn Mal umgezogen waren – meine Mutter war manchmal gar nicht mehr dazugekommen, die Umzugskartons auszupacken. Mir blieb nichts anderes übrig, als jeweils schnell Anschluss zu finden, was mir noch heute im privaten und im beruflichen Umfeld zugute kommt.
Können Sie sich erinnern, warum Sie Architektur studieren wollten?
Das war schon früh mein Traumberuf, weil ich als Mädchen fälschlicherweise glaubte, meine Lieblingstante sei Architektin. Später schrieb ich in der Schule sehr gute Noten, war stark in Naturwissenschaften, interessierte mich aber auch sehr für die Kunst. In der Architektur fand ich eine Möglichkeit, diese zwei Seiten zu verbinden. Ich begann mein Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo wir die Kurse frei belegen konnten. So saugte ich das ganze Spektrum der Baukunst auf, lernte die Aspekte der Tragwerkslehre und Baukonstruktion, belegte aber auch Kurse in Städtebau, Architekturphilosophie und im Freihandzeichnen.
Ein Jahr haben Sie dank eines Stipendiums an der Columbia University in New York studiert. Hat das Ihren Blick auf Architektur verändert?
Ja, in New York konnte ich im Fachbereich Stadtplanung in interdisziplinären Teams arbeiteten. So erweiterte sich mein Blick auf die Stadt und ihre Zusammenhänge. Dieses weite Blickfeld der Stadtplaner hat mich nie mehr losgelassen. New York war eine rauschhafte Erfahrung für mich, eher ein Fliegen als ein Studieren. Ich war so inspiriert, dass ich oft bis 4 Uhr früh an der Uni gearbeitet und danach noch Stadtspaziergänge unternommen habe. Es öffnete sich ein Raum voller Möglichkeiten.
Mit 26 Jahren waren Sie diplomierte Architektin. Wie gelang der berufliche Einstieg?
Ich hatte mir vorgenommen, nach dem Studium so schnell wie möglich ein Haus zu bauen, komplett in Eigenregie von der ersten Zeichnung bis zur Schlüsselübergabe. Weil aber in Deutschland Rezession herrschte, war das nicht möglich. Mein Interesse an der Schweizer Architekturszene brachte mich nach Luzern. In Weggis am Vierwaldstättersee konnte ich für ein Künstlerpaar einen Anbau an ihr historisches Haus von 1850 realisieren, wie gehofft vom Blatt Papier bis zur Schlüsselübergabe. Später war ich für ein Zürcher Büro tätig und absolvierte das zweijährige Masterstudium «Geschichte und Theorie der Architektur» an der ETH.
Wie kamen Sie vor vier Jahren auf die Idee, Safran aus Ihrer Heimat zu importieren und in der Schweiz zu verkaufen?
Als Mutter von zwei Kindern hatte ich oft Nüsse und Trockenfrüchte dabei und teilte diese gerne mit anderen Eltern. Immer öfter wurde ich gefragt, wo man in Zürich solche gesunde und feine Snacks kaufen könne. Als ich erzählte, dass meine Grossmutter und meine Tanten mir regelmässig Pakete mit Delikatessen aus Iran schickten, fragten die anderen Eltern, ob sie bei mir Bestellungen aufgeben könnten. In dieser Zeit coachte mein Vater einen jungen Geschäftsmann, der Implantate nach Iran exportierte. Ich sprach ihn darauf an und sagte zu ihm: «Coache besser deine eigene Tochter dabei, ein Stück Heimat in die Schweiz zu bringen.»
Warum fiel die Wahl auf Safran?
Ich wollte ein Business aufbauen, das ich selber in der Hand haben konnte. Für den Start reichte ein Koffer voller Safranfäden. Dazu kam, dass mein Onkel Erfahrung als Geschäftsmann hatte und direkt im grössten Safrananbaugebiet lebte. Mein Vater übernahm die Qualitätssicherung, meine Mutter unterstützte mich in der Kommunikation. Safran ist ein einzigartiges Produkt. Es ist kondensierte Sonnenenergie, die seit 2000 Jahren als Antidepressivum verwendet wird und einfach glücklich macht – ich kenne jedenfalls keinen schlecht gelaunten Safran-Händler. Mein Leitspruch lautete bereits als Kind: «Die Sonne scheint immer.» Er gab mir Halt in schwierigen Zeiten.
Apropos schwierige Zeiten: Ihr Plan, den Safran an die Gastronomie zu verkaufen, wurde durch Covid und Lockdown durchkreuzt.
Der Start war tatsächlich schwierig – ich brauchte mehr Geduld und musste neue Absatzkanäle finden. Aber auch hier behielt mein Leitspruch Gültigkeit. Trotz dunklen Wolken gab es Sonnenstrahlen. Ein grosser Fischhändler wurde zum Stammkunden und richtete auf der Website eine eigene Rubrik für «The Safran Project» ein. Auf diesem Weg kaufen einige Gourmetrestaurants bei mir ein. Es entstanden Kooperationen mit Glace-Herstellern und Panettone-Produzenten aus der Nachbarschaft. Safran ist sehr vielseitig, er wird in Speisen, Getränken, zum Färben, in Kosmetikprodukten und in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet. Ich bin überzeugt, dass auch die Nachfrage für medizinische Anwendungen stark zunehmen wird. Der Koch einer Altersresidenz setzt unseren Safran drei Mal pro Woche in der Küche ein und erhält regelmässig sehr positive Rückmeldungen von den Bewohnerinnen.
Heute sind Sie in Ihrem studierten Fachgebiet und als Safranhändlerin tätig. Bewährt sich diese Zweigleisigkeit?
Ich bin sehr dankbar, dass ich so verschiedene Seiten von mir ausleben kann. Früher hatte der Beruf etwas Schicksalhaftes, heute kann man verschiedenste Tätigkeiten ausüben, nacheinander oder auch parallel. In der oft sehr komplexen Bauherrenberatung ist meine rationale Seite gefordert, beim Safran haben Sinnlichkeit und Handarbeit eine hohe Bedeutung. Manchmal überschneiden sich die beiden Felder. Vor einiger Zeit kontaktierte mich ein Nachbar hier im Seefeld, ein gelernter Finanzfachmann, der heute als Spargelhändler tätig ist. Er wollte über eine kulinarische Kooperation sprechen, aber bald rückte in den Vordergrund, dass ich ihn als Architektin in der Frage unterstützte, wie er das Waschhäuschen eines alten Pfarrhauses in ein Ladenlokal umfunktionieren konnte. Ich half ihm beim Umnutzungs- und Bewilligungsverfahren und konnte so auch gleich einen Beitrag zur Belebung des Quartier leisten.
Der Safran baut also nicht nur Brücken in ihr Herkunftsland, sondern auch im Zürcher Seefeld?
Ja, durch dieses unternehmerische Projekt sind viel mehr Kontakte und Kooperationen mit Nachbarn entstanden, als ich mir bei der Gründung hätte vorstellen können. Hier im Quartier nennen mich inzwischen alle «Die Safran-Nina».
Zur Person:
Nina Behjati (47) hat an der ETH einen MAS in Geschichte und Theorie der Architektur erworben. Nach vielen Jahren Tätigkeit als Architektin gründete sie die SABZ GmbH; sie importiert unter dem Label «The Safran Project» Safran aus ihrem Geburtsland Iran. Seit 2021 ist sie in einem Teilzeitpensum in der Bauentwicklung und parallel dazu fürs eigene Unternehmen tätig.
Kontakt:
Umsteigen im Beruf
Dies ist das zweite Interview in einer Serie von sechs Porträts in den kommenden Monaten. Wir befragen ETH-Alumni und -Alumnae, die einen Berufswechsel gewagt haben. Mathias Morgenthaler hat sie gefragt, was sie antreibt, beruflich völlig neue Wege einzuschlagen. Morgenthaler ist Coach, Betreiber der Plattform externe Seite beruf-berufung.ch und Autor der Bücher «Aussteigen – Umsteigen» und «Out of the Box».