Tino Matter: «Die Heilung chronischer Wunden revolutionieren»

Tino Matter hat Nanowissenschaften an der Universität Basel studiert, anschliessend hat er sein Doktorat an der ETH absolviert. Er ist Mitgründer des Startups «anavo medical», das die Wundheilung bei chronischen Wunden mit Nanopartikeln entscheidend verbessern will. Tino erzählt, was ihn in seiner Forschung antreibt.

Tino Matter

Was wolltest Du als Kind werden?

Naturwissenschaften haben mich schon immer fasziniert. Als Kind habe ich mir allerdings nie einen Job darunter vorgestellt. Jetzt bin ich froh, dass ich diese Faszination zu meinem Beruf machen konnte.

Du hast ursprünglich an der Universität Basel studiert?

Ja, ich habe meinen Bachelor und Master in Basel gemacht, in Nanowissenschaften mit Schwerpunkt Physik. Während meines Masters habe ich für Semesterprojekte in Barcelona, an der ETH und der Empa gearbeitet. Doktoriert habe ich dann an der ETH. Die Projekte, die an der ETH angeboten wurden, fand ich sehr spannend. Die Labore sind gut ausgestattet und man ist sehr flexibel in der Nutzung der ganzen Infrastruktur. Auch die anderen Studierenden und Doktorierenden in- und ausserhalb meiner Forschungsgruppe fand ich immer sehr inspirierend.
 

«Es ist ein grosser Vorteil, unter dem ETH-Schirm zu arbeiten.»
Tino Matter

Du bist Mitbegründer des Startups «anavo medical» und gleichzeitig an der ETH angestellt?

Ja, Sebastian Loy und ich haben genügend Gelder aufgetrieben, dass wir uns ganz auf unser Startup konzentrieren können. Wir werden von der ETH und anderen Geldgebern unterstützt. Es ist ein grosser Vorteil, unter dem ETH-Schirm zu arbeiten. Wir haben Zugang zu den Laboren und die ETH unterstützt uns mit zusätzlicher Infrastruktur. Sebastian hat an der HSG seinen Master in Accounting & Finance gemacht und ist für die betriebswirtschaftlichen Aspekte des Startups verantwortlich. Darüber hinaus arbeiten noch zwei Postdocs am Projekt. Daneben haben wir noch mehrere Advisors und weitere Kooperationen, die aus anderen Quellen finanziert werden.

Woran arbeitet Ihr konkret?

Wir arbeiten an neuartigen anorganischen Nanopartikeln, welche die Heilung chronischer Wunden stimulieren sollen. Diese Partikel schaffen lokal eine entzündungshemmende und antibakterielle Umgebung, in der Wunden gut heilen können.

Wird auf diesem Gebiet bereits viel gemacht oder seid Ihr Pioniere?

Da die Wundheilung ein wichtiges Thema und von grösstem klinischen Interesse ist, gibt es etliche Ansätze, um die Wundheilung zu verbessern. Trotzdem gibt es noch keine Technologie, die die momentanen Wundheilungsprobleme löst. Wir unterscheiden uns von anderen Firmen darin, dass wir komplett anorganisch arbeiten. Seit Jahrzenten wird versucht, biologische Derivate einzusetzen, die bisher nur wenig Fortschritt zeigen konnten. Durch unseren völlig anderen Ansatz haben wir einen grossen Vorteil mit unserem Produkt.

Ich habe in Eurem Zusammenhang auch etwas von Hauttransplantationen gelesen.

Ja, das ist eine mögliche Anwendung, aber das verfolgen wir nicht prioritär. Dass Transplantationen nicht funktionieren, hat natürlich auch mit mangelnder Wundheilung zu tun. Ähnlich ist es bei Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen. Das könnten mögliche weitere Anwendungen für unsere Nanopartikel sein. In erster Linie konzentrieren wir uns jedoch auf chronische Wunden.

 

«Den Austausch mit anderen Startups an solchen Wettbewerben finde ich sehr inspirierend.»
Tino Matter

Ihr habt 2021 den Swiss MNT Startup-Preis erhalten. Ist das etwas Spezielles für Dich?

Es ist ermunternd, immer wieder Anerkennung zu bekommen. Solche Preise sind eine gewisse Validierung – nicht nur für die Technologie, sondern auch für unser gesamtes Vorhaben, unsere Planung. Den Austausch mit anderen Startups an solchen Wettbewerben finde ich sehr inspirierend. Selbst wenn man aus gänzlich anderen Branchen kommt, hat man immer wieder ähnliche «Probleme». Man lernt voneinander, besonders Sachen, die nicht in Büchern stehen. Zum Beispiel einen Tipp zum administrativen Vorgehen oder eine Empfehlung, mit welchem Berater oder welcher Beraterin man erfolgreich zusammengearbeitet hat.

Was ist besonders an einem Startup im medizinischen Bereich?

Die Herausforderungen sind branchenspezifisch. Der Markt ist streng reguliert. Man muss einige Voraussetzungen erfüllen, die sehr genau festgelegt sind. Das ist in anderen Sparten, wo man näher bei der Kundschaft ist, anders. Entwickelt man eine App oder Website, kann man direkt Feedback der Nutzer sammeln und entsprechende Anpassungen machen. Das ist in unserem Projekt nicht von Anfang an möglich.

Wie muss ich mir dann die Zulassung von Eurem Produkt vorstellen? Mit Testpersonen?

Genau, wir müssen verschiedene Tests am Produkt selbst durchführen, dann kommen klinische Studien am Menschen. Später reichen wir ein umfassendes Dossier bei den Behörden für die Zulassung ein. Ein sehr langwieriger, kostenintensiver Prozess. Die Finanzierung ist ein zentraler Punkt. Je nachdem wie gut die Finanzmittel sind, desto schneller geht es.

Wie sieht Euer Zeitplan aus?

Wir sind momentan in der präklinischen Phase, also noch vor der klinischen Studie. Je nachdem wie lange die Studien dauern, können wir etwa in sieben Jahren die Zulassung anstreben.

Was motiviert Dich persönlich?

Da die Arbeiten, die ich von Tag zu Tag ausführe, sehr divers sind, ist der Alltag auch nie langweilig. Allgemein motiviere ich mich mit Blick auf das künftige Ziel, auf die positiven Auswirkungen, die unser Projekt beziehungsweise Produkt haben kann. Optimalerweise werden wir mit diesen Nanopartikeln die Wundheilung bei vielen Patienten und Patientinnen signifikant verbessern, und somit vielen Menschen helfen. Auch betreffend Technologie und Produkt denke ich immer an das Ziel und konstruiere dann den Pfad dahin quasi rückwärts. Das ist vielleicht nicht intuitiv, aber auf diese Weise hat man immer das grosse Ganze im Blick und kann trotzdem fokussiert an jedem Schritt arbeiten.

Hast Du einen persönlichen Tipp für die Studierenden an der ETH?

Die ETH bietet einzigartige Möglichkeiten, sich neben dem Studium zu entwickeln. Nebst sportlichen und kulturellen Angeboten kommen immer mehr Möglichkeiten auf, um eigene Projekte zu verwirklichen – optimalerweise im Team. Initiativen wie das Student Project House und die Pioneer Fellowship sind tolle Werkzeuge, um Fähigkeiten zu erlernen, die komplementär zum Studium sind. Und natürlich bieten sie die Genugtuung, «sein eigenes Ding» machen zu können. Man hat ein eigenes Projekt, trifft Entscheidungen und übernimmt Verantwortung. Auch ein Auslandsemester ist zu empfehlen. Man lernt, wie andere Kulturen Lösungen finden und erweitert seinen Horizont. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich für den Abschluss ein breites Wissen und umfassende Erfahrungen aneignet.  

 

Anavo

 

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