Mathias Wellig: «Der Zusammenhalt durch das ETH-Studium ist weiterhin vorhanden.»

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Mathias Wellig schloss seinen Bachelor und Master in Informatik an der ETH ab. Während des Studiums tüftelte er mit zwei Kommilitonen am frisch lancierten iPhone herum. Aus dieser Freude und Neugier entwickelte sich Ubique. Das Unternehmen zählt heute rund 50 Mitarbeitende, davon ungefähr 70 Prozent ETH Alumni. Es ist verantwortlich für viele typische Schweizer Apps wie die der SBB, MeteoSchweiz oder SwissCovid.

Mathias Wellig

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich hatte verschiedene Ideen. Der erste konkrete Wunsch aber war, im Legoland neue Sets zu designen. Ich spielte als Kind oft mit Lego, da ich schon immer gerne baute. Die Sets hatten aber nur eine limitierte Anzahl Legosteine, was manchmal frustrierend war. Die Vorstellung, eine unbegrenzte Anzahl an Lego-Steinen zur Verfügung zu haben, war paradiesisch. Genau das fand ich in der Informatik: Ich kann mit unendlich vielen Bausteinen arbeiten.

An der ETH zu studieren war eine meiner besten Entscheidungen.Mathias Wellig

Du bist nicht nach Dänemark, sondern nach Zürich an die ETH und hast Deinen Bachelor und Master in Informatik abgeschlossen. Was hat Dich dazu bewogen?

Neben meiner Begeisterung fürs Bauen war ich schon sehr früh sehr an Mathematik interessiert. Zahlen sind mein Ding, das war an der Matura immer noch so. Ich konnte aber lange Informatik nicht fassen. Auch hatte ich die klassischen Vorurteile gegenüber der Informatik. Ich habe also spät realisiert, dass ich in der Informatik das Bauen und die Mathematik verbinden kann.

Es gibt keine Universität im Oberwallis, auch wollte ich als junger Erwachsener gerne auch einmal Stadtluft schnuppern. Die ETH gefiel mir, da ich mich fachlich breit ausbilden wollte. Als ich mich für einen Studiengang entscheiden musste, war ein Erlebnis sehr prägend. Auf der Webseite des Departements Informatik fand ich folgendes Zitat von Edsger W. Dijkstra: «In der Informatik geht es genauso wenig um Computer wie in der Astronomie um Teleskope.» An der ETH zu studieren war eine meiner besten Entscheidungen.

Du hast Dich schon früh für Apps und iPhones interessiert und noch während Deines Studiums die Firma Ubique mitgegründet. Was hat Dich dazu motiviert?

Das Studium war sehr theoretisch. Wie auch mit Lego hatte ich mit der Zeit ganz viele Bausteine. Die wollte ich aber nicht einfach in den Keller packen. Ich war leidenschaftlich dabei und wollte etwas damit machen. Auch braucht es das Handwerk und nicht nur die Theorie im Leben. Ich war daher immer in Projekten involviert, um etwas praktisch umzusetzen.

Ich fing 2007 mit dem Studium an, im gleichen Jahr wurde das iPhone lanciert. So lernten wir drei Gründer von Ubique uns kennen: Wir hatten damals als einzige unseres Jahrgangs dieses iPhone aus den USA importiert. Wir waren fasziniert und bastelten nach den Vorlesungen damit herum. Dank uns konnten damals ETH Studierende gratis SMS über das iPhone verschicken. Das tönt heute banal, damals war das eine riesige Sache.

Wir hatten Spass und entwickelten weiter. Wir merkten, wie sich langsam ein Markt dafür auftut. Da überlegten wir uns, dass ein professioneller Auftritt gut wäre. Die Gründung vom Ubique gab unserer Leidenschaft die Form. Das Interesse stieg stetig und führte sogar dazu, dass ich weniger Vorlesungen besuchte. Deswegen musste ich ein Semester anhängen. So machte ich das Hobby vom Erbauer zum Beruf.

Das ETH-Studium hat Dir gleich mehrfach geholfen?

Ja genau. Der Zusammenhalt durch das ETH-Studium ist weiterhin vorhanden. Wie schon erwähnt fing ich mit zwei Mitstudenten schon sehr früh an, mich für Apps zu interessieren. Diese Dreiergruppe ist über das Bachelor- zum Master-Studium bis heute konstant geblieben. Dazu hat ungefähr 70 Prozent unserer Mitarbeitenden einen ETH Abschluss.

Der Studienabschluss liegt bei mir noch gar nicht so weit zurück. Die modernsten Programmiersprachen beherrsche ich nicht mehr fliessend, aber das spielt keine Rolle. Ich merke, wie das theoretische Wissen und die vertieften Grundlagen des Studiums mir immer noch helfen. Denn diese Sachen bleiben gleich, egal wohin die Entwicklung geht. Dieses fachliche Fundament ist für mich immer noch extrem wertvoll.

Früher mussten wir das Potenzial von einzelnen Anwendungen sehen. Heute gilt es, ein Digitalprodukt im Kontext des umgebenden Gesamtsystems zu sehen und richtig einzubetten.Mathias Wellig

Ubique ist für viele typische Schweizer Apps verantwortlich, wie die von MeteoSchweiz oder der SBB. 2020 habt Ihr die SwissCovid App entwickelt. Wie ist das, wenn Ihr heute eine neue App lanciert?

Das Gefühl ist immer noch ähnlich wie während dem Studium. Es gibt ein Bedürfnis, wir können etwas bauen. Früher war es vielleicht einfacher und klarer umrissen. Heute sind unsere Apps viel komplexer und haben auch breitere gesellschaftliche Relevanz. Das hat vielleicht auch mit den Lebensphasen zu tun. Ich nehme die SwissCovid App: Die Anwendung ist viel breiter als beispielsweise das Verschicken von gratis SMS auf dem Campus.

Die Art der Schwierigkeit hat sich auch über die Jahre verändert: Früher mussten wir das Potenzial von einzelnen Anwendungen sehen. Heute gilt es, ein Digitalprodukt im Kontext des umgebenden Gesamtsystems zu sehen und richtig einzubetten. Wir haben die Freude am Bauen aber keineswegs verloren.

Was sind die aktuellen Herausforderungen von Ubique?

Aufgrund der Pandemie haben wir die Herausforderung, als Unternehmen aber auch als Gesellschaft daraus zu lernen. Für Ubique als Organisation geht’s konkret natürlich um den Arbeitsmodus. Jetzt sind wir in der Phase, wo wir uns Gedanken machen, wie wir mit der Öffnung umgehen. Wir möchten weder auf den Stand von Anfang 2019 zurückkehren noch weiterhin komplett von zu Hause aus arbeiten.

Wir möchten radikal neu denken, um als Team das Maximum zu erreichen. Wohin es geht, wissen wir noch nicht. Wir suchen bewusst Lösungsansätze und probieren diese aus. Wir evaluieren, was gut funktioniert, was nicht, und welche Ansätze wir kombinieren können. Das ist die kurzfristige Herausforderung, welche ich sehr spannend finde.

Mittelfristig möchten wir natürlich weiter Lösungen anbieten, welche Bedürfnisse abdecken. Die digitale Branche ändert sich sehr schnell. Wir überlegen uns immer wieder: Was ist gefragt? Was gibt es als nächstes zu bauen? Wir wollen unsere gute Geschichte weiterhin schreiben.

Hast Du einen Tipp für die Studierenden der ETH?

Es gibt für mich ein grosses Thema: Mach das, wohin es Dich zieht, Du machst es einfach besser. Als Informatiker habe ich diese Möglichkeiten gefunden. Es ist so eine Sache mit Hypes: Wenn Du überzeugt bist von etwas, dann mache es. Wie bei uns 2007 mit den iPhones: Wir hatten Spass daran und konnten Gas geben. In der Retrospektive sieht man die Entwicklung und findet sie logisch. Es ist aber nicht so einfach, wie es jetzt scheint.

Ich finde es auch wichtig, dass man sich selber treu bleibt. Als Informatiker der ETH habe ich diesen Luxus. Ich investiere in eine Sache, oder in meinem Fall in ein Unternehmen, dabei kann ich mir treu bleiben.

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