David Mzee: «Ich hätte als Junge nie gedacht, dass ich es an die ETH schaffe.»

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ETH Alumnus David Mzee liebt und lebt Sport. Während des Studiums überlebte er einen schweren Unfall, als Tetraplegiker. Er liess sich nie behindern und schloss auch dank der Unterstützung seitens ETH den Bachelor in Bewegungswissenschaften und Sport etwas verzögert ab. Beim Master war er Jahrgangsbester, danach fügte er noch das Lehrdiplom für Maturitätsschulen an. Dank eines Forschungsprojekts macht er erste Schritte und gibt damit vielen Querschnittgelähmten Hoffnung.

David Mzee

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich wollte Fussballprofi werden. Das ist mir geblieben, weil ich meinen Eltern die erste Million versprach. Was ich mit dem Geld danach machen wollte, weiss ich nicht mehr.

Du warst also schon als Kind sportbegeistert. Denn Du hast an der ETH Deinen Bachelor und Master in Bewegungswissenschaften und Sport absolviert. Was hat Dich an die ETH gebracht?

Ich hätte als Junge nie gedacht, dass ich es an die ETH schaffe. Die Zeit an der Kanti war schon eine Herausforderung. Dazu kommt, dass niemand in meiner Familie einen akademischen Hintergrund hat. Es gab also einige Hürden zu bewältigen. Der wichtigste Faktor, der mir half, ist sicher meine Leidenschaft für Sport. In der Praxis war ich sehr gut, ich liebe und lebe Sport.

Dazu hat mich eine Geschichte meines Onkels geprägt. Er war Mechaniker auf einem Cargo Schiff für Lebensmittel. Bei einem Problem konnte er als einziger die nötigen Reparaturen durchführen. Die Ware verdarb nicht, so ersparte er dem Unternehmen einen grossen Verlust. Den ganzen Ruhm dafür strich aber sein Chef ein, weil dieser besser qualifiziert war. Ich lernte daraus, dass es nicht nur darauf ankommt, was man kann. Es kommt auch darauf an, was man weiss, das theoretische Wissen. Ich wollte also auf beiden Ebenen ausgerüstet sein.

2010 hattest Du einen schweren Unfall und bist infolgedessen Tetraplegiker. Nach einem Unterbruch hast Du weiterstudiert. Was hat Dich motiviert?

Ich bin jemand, der Dinge abschliesst, die ich angefangen habe. Es war mir klar, dass ich nicht nur das theoretische Studium weitermachen, sondern auch das Lehrdiplom abschliessen wollte. Kurt Murer, der damalige Vorsteher des Instituts für Bewegungswissenschaften und Sport, war zentral für mein Weitermachen. Er besuchte mich im Spital, und er war unglaublich herzlich. Er versicherte mir, dass er alles in seiner Macht Mögliche tun würde, damit ich weiterstudieren könne. Er war sehr motivierend.

Wichtig für mich waren aber auch meine ETH Kommilitonen. Ich hatte oft Besuch, und ich fühlte mich getragen. Das war schön. Ich fand problemlos den Anschluss, als ich wieder einstieg. Es ist ein so toller Studiengang, es machte einfach grosse Freude. Und natürlich hat mich meine Familie während dieser Zeit auch enorm unterstützt.

2016 hast Du als Jahrgangsbester Deinen Master abgeschlossen und den Willi-Studer-Preis erhalten. Später hast Du noch das Lehrdiplom für Maturitätsschulen gemacht. Wie waren diese Momente für Dich?

Der Master basiert ja eher auf Theorie, insofern konnte ich das gut im Rollstuhl machen. Den Master schloss ich Anfang Jahr ab, den Preis erhielt ich Ende Jahr. Der Willi-Studer-Preis zu gewinnen war schön, das Tüpfelchen auf dem i.

Bevor ich das Lehrdiplom anfing, wollte ich sicherstellen, dass ich im Rollstuhl unterrichten kann. Das Unterrichten hat primär nichts damit zu tun, dass ich ein guter Sportler bin. In den praktischen Übungen beobachtete ich daher alles genau. Ich hatte das Gefühl, dass ich so vieles wahrnahm, was den anderen entging. Ich bemerkte, wenn jemand Mühe hatte mit einer Übung. Dieses Beobachten hilft mir sehr beim Unterrichten.

Zur Unterstützung kontaktierte ich meinen ehemaligen Kanti-Sportlehrer. Ich wollte eine Sportlektion im Tanz machen, gemeinsam suchten wir eine Lösung. Ich erhielt auch Unterstützung meiner damaligen Tanzdozentin. Ich gab also diese Tanzstunde. Während der Stunde arbeitete ich mit verbalen Bildern, das gab dem Unterricht eine neue Qualität. Ich versuchte auch noch andere Kurse, in denen der Sportlehrer oder die Sportlehrerin normalerweise Hilfestellung leistet. Es funktionierte, und ich fühlte mich wohl. Wir bewerteten danach meine Leistung, das Feedback war positiv.

Für das Lehrdiplom gab ich also Vollgas. Der Abschluss als Sportlehrer war für mich emotional und erfreulich: In der letzten Prüfung erhielt ich einen glatten Sechser. Ich unterrichtete Unihockey an der Kanti Enge in Zürich. Ich hatte zwei sehr erfahrene Prüfungsexperten. Bestehen war also mein Ziel, die Bestnote machte mich dann sehr glücklich. Es hat sich gelohnt: Heute unterrichte ich Sport an zwei Berufsschulen.

Du bist in der Schweizer Nationalmannschaft, zwar nicht als Fussballer, aber im Rollstuhlrugby. Du lässt Dich also nicht behindern?

Als Stammspieler in die Nationalmannschaft aufgenommen zu werden, war wirklich cool. Durch meine Erfahrung und mein Training kann ich im Team einen Unterschied machen. Das finde ich sehr schön. Die Schweiz hat sich für die Europameisterschaft qualifiziert, welche Ende Juni / Anfangs Juli 2021 in Polen stattfinden wird. Darauf freue ich mich sehr.

Dann wünsche ich Euch ganz viel Glück am Turnier. Wie wird man Stammspieler?

In unserer Gruppe haben wir sehr viel schwarzem Humor. Wir diskutierten einmal, wie wir uns bei potenziellem Nachwuchs positionieren könnten. Dabei hatte jemand die Idee, ein Banner unterhalb des Rega-Helikopters zu platzieren. Viele von uns wurden mit der Rega ins Spital transportiert.

Glücklicherweise haben wir etwas Mühe. In Punkto Sicherheit gelten in der Schweiz strenge Vorschriften. Im Auto müssen wir uns anschnallen, die SUVA erlässt Richtlinien und setzt diese durch. Auch unsere Neutralität ist ein Faktor: Wir haben keine Soldatinnen und Soldaten mit Amputationen. Wir erreichen im Rollstuhlrugby trotzdem eine gute Platzierung im Ländervergleich. Aber eben, Nachwuchs zu finden ist schwierig.

Kürzlich haben wir jemanden gefunden, der sich in der ganzen Schweiz um die Nachwuchsförderung kümmert. Wir haben ein Netzwerk in den Kliniken. Die machen junge Patientinnen und Patienten darauf aufmerksam, dass es Sportarten gibt. Wir möchten eine bessere Vernetzung, um eine gezieltere Förderung der Personen zu erreichen. Ich finde, es ist eine gute Sache, egal für welchen Sport man sich entscheidet. Mir hilft der Sport sowohl in der Reha als auch psychologisch sehr.

Das Ziel, freihändig laufen zu können, grenzt an Wahnsinn.  Dave Mzee

Dank eines Chips im Rückenmark kannst Du wieder Schritte machen. Wie geht es weiter?

Wie es weitergeht, ist schwierig zu sagen. Das Ziel, freihändig laufen zu können, grenzt an Wahnsinn. Ich weiss ja genauestens, was meine Verletzung bedeutet. Das Projekt wird an der ETH in Lausanne durchgeführt. Einen Satz, den ich da geprägt habe, ist: «Du musst das Unmögliche probieren, um das Mögliche zu ermöglichen.» Daran arbeiten wir alle. Ich werde jedenfalls weitertrainieren und alles dransetzen, um diese Forschung zu unterstützen.

Ich wurde von der Firma, die daraus entstanden ist, als Berater angestellt. Dank des ETH Studiums habe ich enorm viel Hintergrundwissen. Aufgrund dessen bin ich der ideale Patient, der ihnen «passieren konnte». Das sagen sie mir immer wieder.

Hast Du einen Tipp für die Studierenden der ETH?

Es ist vielleicht kitschig, aber Dankbarkeit finde ich wichtig. Ich bin besonders der ETH extrem dankbar. Ich bin kein guter Schüler, klassisch gesehen. Schon als Kind hatte ich Mühe, auswendig zu lernen. Einige Fächer des Studiums verlangen aber sehr viel auswendig gelerntes Wissen. Ich begriff aber, dass ich im vernetzten Denken gut punkte. Über die Zeit entwickelte ich ausgeklügelte Strategien und Eselsbrücken. Viele Mitstudierende fanden, dass ich den Stoff unnötig verkomplizierte. Dank meiner Strategien steigerte ich mich notentechnisch laufend: von mittelmässig in der Primarschule bis Jahrgangsbester an der ETH. Wenn ich also beispielsweise im Hauptgebäude war, hielt ich bewusst einen Moment inne. Ich freute mich darüber, an so einer tollen Schule zu sein, die ihrem Ruf gerecht wird.

Als zweiter Punkt würde ich raten, nehmt Chancen an, die Euch gegeben werden. Während des Studiums erhält man immer wieder Anfragen. Es ist nicht selbstverständlich, dass Personen mit Wünschen an jemanden herantreten. Wenn man also angefragt wird, etwas zu tun, dann unbedingt machen. Auch wenn man noch keine Erfahrung hat. Manchmal muss man auch aus der eigenen Komfortzone rausgehen. Denn nach meiner Erfahrung ergeben sich daraus Möglichkeiten, welche nicht planbar sind. Mit der Annahme vermittelt man ein positives Bild, das bleibt.

Weitere Informationen über Dave

Dave Mzee

Hier finden Interessierte weitere Infos und Kontaktmöglichkeiten: externe Seite www.David-Mzee.ch  

Schweizer Nationalmannschaft gewinnt das Turnier in Polen

Rugby

Ganz herzliche Gratulation an das Schweizer Team, welches das Turnier in Polen gewonnen hat. Es steigt somit in die höchste Liga auf.

2022 wird es um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft spielen. Wir wünschen viel Glück!
 

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