Johannes Tiefenthaler: «Wir wollen die Zukunft von Beton gestalten, und in dieser soll der Baustoff klimaneutral sein.»

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ETH Alumnus Johannes Tiefenthaler absolvierte seinen Master in Verfahrenstechnik. Aktuell arbeitet er an seinem Doktorat. Parallel dazu gründete er 2019 die Firma Neustark mit, welche CO2 in Beton speichert. Ziel ist es, klimaneutralen Beton anzubieten. Im Interview erzählt er von seinem bisherigen Werdegang, und wo er aktuell steht bei der Erreichung seines Ziels.

Johannes Tiefenthaler

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich hatte nicht einen spezifischen Traumberuf. Als Kind war ich sehr neugierig und war viel und gerne in der Natur. Ich erkundete Geheimwege, Schluchten und Gewässer in der näheren Umgebung. Es war immer ein Abenteuer, und ich war der Entdecker.

Du hast an der ETH Deinen Bachelor in Maschinenbau und Deinen Master in Verfahrenstechnik absolviert. Was hat Dich motiviert, an der ETH zu studieren?

Fächer wie Mathematik und Physik, die auch logisches Denken erfordern, lagen mir gut. Ich wollte aber die praktische Anwendung nicht missen. Und die Umwelt war mir wichtig. Also lagen Ingenieurwissenschaften nah. Zürich bietet beides: Nähe zur Natur mit den Bergen und Seen, sowie eine technische Hochschule. So habe ich mich an der ETH Zürich beworben und wurde fürs Studium in Maschinenbau und Verfahrenstechnik zugelassen.

Während des Studiums interessierte ich mich mehr und mehr für den Bereich Energie, auch weil ich diesen mit Klimaschutz assoziierte. In diesem Rahmen besuchte ich dann auch eine Vorlesung von Professor Mazzotti, die sich mit Technologien auseinandersetzt, die Treibhausgas Emissionen vermeiden können, die auch bei Verwendung von erneuerbaren Energien anfallen. Dadurch entdeckte ich den Bereich CO2-Abscheidung, Transport und –Speicherung oder «CO2 Capture, Transport and Storage (CCS)». Ich lernte, dass sich mithilfe dieser Technologie durch sogenannte Negative Emissionen die «Klimauhr» sogar zurückstellen lasst. Die Herausforderung, die Industrie Richtung Klimaneutralität zu transformieren, und so das Klimaproblem zu lösen, faszinierte mich.

Viele Klimatechnologien leiden unter dem gleichen Symptom: Unter aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Markt inexistent, damit kreieren sie limitierte Wertschöpfung und erzielen keine Breitenwirkung. Wenn Technologien keine Anwendung finden, gibt es keine Lernkurve – deren Anwendung wird nicht kostengünstiger.

Im CCS Bereich kamen 2017 viele Dinge zusammen. Die initialen Investitionskosten sind hoch, Emissionshandelssysteme setzte der Industrie keine finanziellen Anreize, um die Emissionen zu reduzieren, der Markt zeigte keine Anzeichen einer höheren Zahlungsbereitschaft für klimaschonende Produkte und die benötigte Infrastruktur war in Europa nicht verfügbar. Obwohl das Klimaabkommen von Paris 2015 klarmachte, dass die Anwendung CCS unumgänglich für das Erreichen der Klimaziele ist, war die Technologie politisch umstritten.

Trotz dieser Situation war ich überzeugt, dass dieses Henne-Ei-Problem lösbar ist. Der Schlüssel ist, erste Schritte im kleineren Massstab zu demonstrieren. Dabei gilt zu demonstrieren, dass die Technologie am Markt ankommt, bei kleinerem finanziellen Risiko. Nimmt der Markt die Lösung auf, hat man gewonnen.

Du arbeitest zurzeit an Deinem Doktor am Institut für Energie und Verfahrenstechnik. Worum geht es bei Deiner Arbeit?

Im Rahmen meiner Masterarbeit beschäftigte ich mich zum ersten Mal mit dem Thema CO2 Mineralisierung. Um Treibhausgase klimaunschädlich zu machen, müssen diese der Atmosphäre fernbleiben. Hierfür gibt es zwei Optionen, die eine relevante Grössenordnung erreichen: Geologische Endlagerung oder Mineralisierung zu einem Karbonatgestein. Mineralisierung heisst, man wandelt CO2 mit Hilfe von Magnesium- oder Kalziumsilikat, sogenannte Precursor, in Karbonatgestein wie zum Beispiel Dolomit oder Kalkstein um. Ungefähr 80 Prozent des Kohlenstoffs weltweit sind als Kalkstein und Dolomit gebunden. In unserem Labor verwendeten wir hauptsächlich Magnesiumsilikate als Precursor, um CO2 zu speichern.

Wenn CO2 zu Karbonatgestein umgewandelt wird, ist es permanent gespeichert. Wird Magnesiumsilikat als Precurser verwendet, muss man eine komplett neue Industrie dafür aufbauen. Das Material muss abgebaut, gemahlen, thermisch aktiviert und zur Mineralisierungsanlage transportiert werden. Letztendlich geht es in eine Endlagerung, oder man findet eine Verwendung in der Industrie.

2017 kam Jura Materials auf Professor Mazzotti zu, um herauszufinden, ob man Betonrückbau als CO2 Speichermedium verwenden kann. Betonrückbau sowie viele andere mineralische Abfallströme der Industrie beinhalten Calcium in Oxid, Hydroxid oder Silikatform, welches sehr reaktiv ist und leicht CO2 als Kalkstein bindet. In meiner Masterarbeit entwickelte ich meinen ersten Prozess zur CO2 Speicherung in Betonrückbau. Er war aber noch weit weg von einer industriellen Nutzung. Das war damals auch nicht im Fokus.

Während dieser Zeit bekam ich den Eindruck, dass die Mineralisierung von CO2 in Betongranulat sehr wohl unter aktuellen Rahmenbedingungen kommerziell genutzt werden kann, also diesen einen Mehrwert kreiert. Ich pitchte Professor Mazzotti die Idee, die Entwicklung einer Mineralisierungstechnologie im Rahmen eines Doktorats mit anschliessender Kommerzialisierung durch eine ETH Spin-off fortzuführen. Er war für dieses Abendteuer mit der Bedingung bereit, dass die Technologieentwicklung den wissenschaftlichen Standards der ETH Zürich entspricht.

Valentin Gutknecht war zeitgleich auf ähnlichen Wegen unterwegs, er konzentrierte sich vor allem auf die Frage des Marktes. So lernten wir uns kennen. Wir ergänzten uns auf der inhaltlichen und persönlicher Ebene gut. Wir konnten die Entwicklung der Mineralisierungswertschöpfungskette sowie des Marktes gleichzeitig vorantreiben und aneinander ausrichten.

2019 hast Du mit Valentin Gutknecht Neustark gegründet. Was macht Ihr, und was ist Deine Motivation?

Die Rohmaterialien für Beton sind überall leicht verfügbar, diese sind relativ kostengünstig. Zusätzlich lässt sich Beton gut verarbeiten, ist vielfältig einsetzbar, und entwickelt aussergewöhnliche statische Eigenschaften. Um dieses Produkt hat sich eine globale Industrie mit viel Know-How entwickelt. Aufgrund der grossen Menge an Beton, die verbaut werden, hat dessen Produktion einen signifikanten Effekt auf die globalen Treibhausgasemissionen. Dieses Problem muss der Sektor in den nächsten Jahren lösen.

Wir wollen die Zukunft von Beton gestalten, und in dieser soll der Baustoff klimaneutral sein. Unsere Strategie ist, eine Lösung zu finden, die heute anwendbar ist. Das Ziel ist Nettonull, und jede effektive Reduktion ist wichtig. So haben wir eine erste Technologie inklusive Wertschöpfungskette auf dem Markt lanciert. Pro Tonne Betonrückbau können wir 10 Kilogramm CO2 speichern. Jeder Recycler in der Schweiz, der Betonrückbau hat, kann diese Technologie verwenden. Es sind noch kleine Schritte. Die Nachfrage nach dieser Lösung ist in der Schweiz und im umgebenden Ausland besonders gross. Es gibt immer mehr Baustellen, die explizit vorgeben, dass der eingesetzte Beton einen möglichst kleinen Fussabdruck haben muss. Dies gibt den Betonwerken einen Anreiz, Beton mit CO2 angereicherter Gesteinskörnung zu liefern.

Wie geht’s weiter mit Neustark? Was sind Eure weiteren Pläne?

Heute haben wir eine mobile Anlage in Betrieb, damit können die Betonwerke unsere Technologie sowie den Beton am Markt testen. Diese Anlage kann in einer Woche bis zu 1000 Tonne Betongranulat mit CO2 anreichern und wird mit den vorhandenen Gerätschaften bei Betonwerken betrieben. Gleichzeitig sind wir an der Entwicklung stationärer Anlagen dran, um die Umweltperformance und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Im Rahmen eines von Innosuisse geförderten Projekts arbeiten wir an der Entwicklung einer weiteren Technologie zusammen mit der ETH Zürich und Jura Materials. Eine Pilotanlage wird diesen Sommer in Betrieb gehen. Diese Technologie soll emissionsfreien Beton ermöglichen. Emissionsfreier Beton heisst für uns, dass alle Emissionen des Produktionsprozesses der Atmosphäre wieder entnommen und im Beton gespeichert werden.

Etabliert sich der emissionsfreie Beton am Markt, generieren wir die Investitionssicherheit für weitere Dekarbonisierungsschritte. Wichtig ist auch, dass jeder Stakeholder der Wertschöpfungskette für sich einen Mehrwert generieren kann, um diese langfristig zu etablieren.

Was würdest Du den heute Studierenden der ETH weitergeben?

An der ETH Zürich lernt man viele Grundlagen. Man hat die Möglichkeit, sich in einzelnen Themen zu vertiefen. Vor allem lernt man, sich schnell in neue Themen einzuarbeiten. Während des Studiums war mir nicht bewusst, wie stark spezialisiert ich war. Der Bau der ersten Anlage bei Neustark öffnete mir die Augen, da ich als Verfahrenstechniker mehr mit dem chemischen Prozess, aber weniger mit dem Bau der Anlage und der Wahl der Komponenten vertraut war. Insofern finde ich wichtig, dass man sich auf die eigenen Stärken konzentriert und fehlende Kompetenzen sich durch Zusammenarbeit in Teams hinzuholt. So macht man schnell Fortschritte, und Spass macht’s auch.  

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