Martin Brüllhardt: «Das Waldlabor lädt ein zur Erkundung des multifunktionalen Kulturwaldes.»
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Martin Brüllhardt studierte Umweltnaturwissenschaften und machte seinen Doktor in Waldökologie und Waldbau an der ETH Zürich. Er ist der erste Geschäftsführer des Waldlabors am Hönggerberg, welches im September 2020 eröffnet wurde. Am 21. März ist der internationale Tag des Waldes. Im Interview erzählt er, warum der Wald wichtig ist, und was die Ziele des Waldlabors sind.
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Was wolltest Du als Kind werden?
Mich haben immer verschiedenste Berufsbilder und Tätigkeiten fasziniert, so haben sich die Wünsche laufend geändert. Die Vorstellung, nur einer Tätigkeit nachzugehen, empfand ich etwas einengend. Ich hatte Mühe mit der gleichen, sich wiederholenden Tätigkeit. Ich war dann natürlich später sehr dankbar, keine klassische Berufswahl treffen zu müssen, sondern die Möglichkeit zu haben, mich vielseitig weiterzubilden. Auch wenn meine Wünsche als Kind wankelmütig waren, die Natur und die naturnahe Behandlung von Ökosystemen zu unserem Nutzen faszinierte mich schon sehr früh.
Du hast an der ETH Zürich einen Masterabschluss in Umweltnaturwissenschaften und einen Doktor in Waldökologie und Waldbau. Was hat Dich zu einem Studium an der ETH inspiriert?
Ausschlagegebend war für mich nicht primär die ETH, sondern das Studienfach, welches in der Schweiz an der ETH einmalig ist. Wie schon erwähnt, hatte ich eine Faszination für die Primärproduktion unserer Ökosysteme und die vielfältigen naturnahen Nutzungskonzepte. Mit den Umweltnaturwissenschaften fand ich ein Studium, dass meinen breit aufgestellten Interessen gerecht wurde und mir das Rüstzeug verschaffte, vernetzte und interdisziplinäre Zusammenhänge und Probleme zu analysieren. Aber auch sozialwissenschaftliche Aspekte fanden ihren Platz in dem Studium.
Die ETH als Institution hat natürlich eine grosse Ausstrahlungskraft und einen sehr guten Ruf. Nicht nur was die Forschung betrifft, sondern auch die zur Verfügung gestellten Ressourcen in der Lehre. Infrastruktur und Betreuung sind an dieser finanziell sehr gut aufgestellten Hochschule top.
Du bist seit September 2020 Geschäftsführer des Waldlabors Zürich. Worum geht es?
Das externe Seite Waldlabor lädt ein zur Erkundung des multifunktionalen Kulturwaldes. Es ist ein Reallabor der Nachhaltigkeit. Es geht darum, das Waldökosystem zu vermitteln, den Wissenstransfer von der Forschung in die Waldbewirtschaftungspraxis und Gesellschaft zu fördern. Das zentrale Ziel ist also die Schaffung eines Bildungs- und Forschungsortes im Sinne des erlebnisorientierten, entdeckenden Lernens zur Förderung des vernetzenden Denkens, sowohl für die breite Bevölkerung wie auch für Studierende, Waldfachleute und Forschende. Das Waldlabor ist eine offene Plattform für die gemeinsame Erkundung von Fragestellungen bezüglich der Gestaltung des multifunktionalen Kulturwaldes.
Wenn man einfach durch den Wald läuft, gibt es vieles, welches verborgen bleibt. Das Waldlabor soll zu einem Begegnungs- und Austauschort für Gesellschaft und Forschende werden. Wir nehmen eine Vermittlerrolle ein, um die Sprache der Forschenden verständlich zu machen, und damit sich Forschende mit Passantinnen und Passanten über die Forschung austauschen. Im Fokus stehen dabei insbesondere die vielfältigen Ökosystemdienstleistungen unserer Wälder und die Möglichkeiten, diese durch die gezielte naturnahe Bewirtschaftung nachhaltig sicherzustellen. Dazu gehört auch die Sammlung und Dokumentation von Erfahrungen und Informationen rund um das Waldökosystem und die entsprechende Ermöglichung von Forschungsvorhaben.
Was sind die aktuellen Herausforderungen?
Das Waldlabor ist ja noch sehr jung. Die Konzeption und der Aufbau in den letzten Jahren wurde von vielen begeisterten Personen vorangetrieben und getragen. In der laufenden Umsetzung stellen sich nebst grundsätzlichen Herausforderung in der Implementeirung schlanker und effizienter administrativer Strukturen auch viele Fragen, wie man die Gesellschaft integrieren und den Input der Leute nutzen kann. Welche Mitwirkungsplattformen für Waldakteure schaffen wir, und wie etablieren wir sie nachhaltig? Darüber hinaus besteht die Aufgabe des Waldlabors auch auf einer Metaebene: Wie begleiten und analysieren wir Mitwirklungsplattformen und Entschiedungsprozesse, um daraus Erkenntnisse zur Verbesserung und Verallgemeinerung zu gewinnen?
Auf das Waldökosystem wirken ganz verschiedene Interessen wie zum Beispiel möglichst coole Mountainbike-Strecken, lauschige Spazierwege oder unbelassene Natur. Und im Waldlabor wollen wir möglichst viele Bewirtschaftungsansätze und Forschungsprojekte zeigen und durchführen. Fachlich ist daher die grosse Herausforderung, diese vielen – teilweise gegensätzlichen – Ziele unterzubringen, ohne die Fläche zu stark zu beanspruchen. Sozial liegt die Knacknuss einerseits im Einbezug der verschiedensten Akteure und andererseits darin, all deren Interessen gerecht zu werden. Der Fokus lag bis jetzt auf der Waldkökologie. Das Waldlabor hat zum Ziel, den Blickwinkel zu erweitern und auch sozialökologische Faktoren einzubeziehen.
Und dann ist für mich natürlich ebenso entscheidend, eine gute Balance zu finden in der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf. Und ich muss sagen, ich habe diese Herausforderung, die Familienarbeit gleichgestellt hälftig zu teilen und im entsprechenden Teilzeitpensum in dieser Führungsposition zu arbeiten, doch etwas unterschätzt.
Am 21. März ist der internationale Tag des Waldes. Warum ist der Wald wichtig?
Wälder spielen eine entscheidende Rolle für das Gedeihen und die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Für uns Menschen sind die Wälder lebenswichtig, denn sie stellen eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen zur Verfügung, sei dies Nahrung, Baumaterial oder ihre Rolle in den globalen Stoffkreisläufen mit grossen Auswirkung auf das Klima. Der Wald filtert Wasser, schützt vor Erosion und Hochwasser sowie verschiedener gravitativer Naturgefahren. Dem Wald kommt eine entscheidende Rolle zu, wenn wir als Gesellschaft die erdölbasierte Wirtschaft hinter uns lassen wollen. Der Wald kann nachhaltig und naturnah genutzt werden, um einen lokalen nachwachsenden Rohstoff zu gewinnen. Ohne Wald fehlt uns beispielsweise der einladende Holztisch. Und was wäre die gemütliche Stube ohne das knisternde Feuer im Ofen?
Dazu kommt die Erholungsleistung des Waldes, welche nicht zu beziffern ist. Die physiologische Wirkung des Waldes auf den Körper wird nun auch erforscht. Und ausserdem: Stell Dir Zürich an einem warmen Sommertag vor. Ohne Wald nicht auszuhalten. Der Wald als Zulieferer von frischer kühler Luft ist unersetzbar.
Hast Du einen Tipp für die heute Studierenden?
Vertieft Euch in die Fachgebiete und Fragestellungen, die Euch am meisten interessieren und lasst Euch Euer Lernen durch die Freude an den Tätigkeiten und Inhalten leiten. Während des Studiums habe ich zwei Strategien getestet: Die eine ist Lernen «von 8 bis 5», das heisst, alles planen und mich dann zwingen, das zu tun. Ich merkte dann aber, dass ich weniger Zeit brauche, wenn ich die Sachen zum richtigen Zeitpunkt mache. Dann hatte ich Lust, und es machte mir Spass. Ihr seid also nicht nur am besten, sondern auch am effizientesten in den Dingen, die Euch Freude machen.
So sehr auch die angebotenen Curricula standardisiert daherkommen, so individuell bleibt Euer Werdegang. In dem Sinne: Vertraut Euren Stärken! Der Weg weist sich auch mit der Zeit, da vieles von zufälligen Gegebenheiten abhängt. Dass ich heute Leiter des Waldlabors bin, ist ein zeitlicher Zufall. Es passte perfekt mit dem Ende meiner Dissertation zusammen, was für mich ein Glück war.