Beat Gerber: «Ich beneide die Studierenden um das vielfältige Studium, das die ETH heute bietet.»

Alumni Porträts

ETH Alumnus Beat Gerber absolvierte sein Studium als Bauingenieur. Vielseitig interessiert bildete er sich laufend weiter und wechselte auch immer wieder den Beruf: Er war Energieplaner, Wissenschaftsjournalist und Kommunikationsspezialist. Auch im Unruhestand findet er Zeit für Neues, 2020 erschien sein erster Wissenschaftspolitkrimi. Im Gespräch spricht er über seine Interessen, und warum er die Studierenden von heute beneidet.

Beat Gerber

Was wolltest Du als Kind werden?

Als Bub faszinierten mich die Tiere, vor allem Raubkatzen und ganz besonders der Tiger. Bei Besuchen im Berner Tierpark und im Zürcher Zoo war ich immer glücklich. Zoologe stand wohl zuerst auf meiner Berufswunschliste, dann Tierarzt, weil ein grosser Bauernhof in der Nähe war, der interessanten Anschauungsunterricht bot. Schlussendlich bin ich aber beruflich meinem Vater gefolgt und studierte Ingenieur.

Du hast an der ETH Zürich ein Bauingenieurstudium absolviert. Was hat Dich zu einem Studium an der ETH inspiriert?

Es gab für mich die Wahl für die ETH in Zürich oder Lausanne. Zürich lag dann näher, und ich war ganz froh, aus Bern rauszukommen. Zuerst ging ich in die gleiche Richtung wie mein Vater, das heisst Maschineningenieur. Das war mir dann aber doch zu eng, also wechselte ich nach einigen Wochen.

Die grosse Themenvielfalt der Studienrichtung, die vom Brücken- und Kläranlagenbau bis hin zur Städte- und Landesplanung reicht, das hat mich angesprochen. Meine Vertiefungsrichtung war Wasserwirtschaft. Der Bau von Staumauern und Wasserkraftwerken war herausfordernd, und ich wollte solche Projekte in Brasilien verwirklichen. Das ergab sich dann leider nicht. Ich habe daher in der dynamischen Strukturanalyse komplexe Bauten wie Atomkraftwerke auf Erdbeben und Flugzeugabsturz dimensioniert. Mit der Zeit wurde mir das jedoch zu eintönig und zu spezialisiert, ich wollte kein Fachidiot werden. Mir fehlte auch die gesellschaftliche Komponente bei der Arbeit.

Wie hat Dir der ETH-Abschluss geholfen?

Ich hege eine Art Hassliebe zum Poly: Zu meiner Studienzeit war die ETH als «Militäranstalt» verrufen und sehr formalistisch geprägt. Doch die streng geregelte Ausbildung war sehr konkret, man jagte nicht Hirngespinsten hinterher. Es war eine sehr gute Grundlage, man lernte logisch denken und analysieren. Auch heute noch. An den Universitäten gibt es zwar mehr «Freidenker» und mehr studentische Freiheiten. Das breite Studium des Bauingenieurs entsprach mir aber besser, und ich habe vom Abschluss immer profitiert.

Du hast nach der ETH noch etliche Semester in Soziologie und Publizistik absolviert, Dich auch laufend weitergebildet, vor allem in den Bereichen Journalismus, Kommunikation und Projektmanagement. Was ist Dein roter Faden?

Soziologie und Publizistik waren eine Art Schnupperlehre an der Uni. Ich war immer sehr neugierig und habe vielerlei Interessen. Manchmal sind es fast zu viele! 1980 hatte ich für das damalige Schweizer Katastrophenhilfskorps mitgeholfen, auf den Philippinen ein Flüchtlingslager aufzubauen. Als ich zurückkam, hängte ich ein Nachdiplom im Bereich Energie an der Ingenieurschule beider Basel an. Danach arbeitete ich zehn Jahre als Energieberater und -planer in der Privatwirtschaft.

Ich habe schon immer gern geschrieben, daher wechselte ich in den Wissenschaftsjournalismus. Zuerst als Freischaffender, dann wurde 1993 beim «Tages-Anzeiger» eine Stelle frei. Und ich bekam sie! Als Journalist muss man neugierig sein. Motiviert hat mich die kritische Auseinandersetzung mit wichtigen Themen aus Wissenschaft und Technik. Die Recherchen führten mich an spannende Orte, beispielsweise zu den Nuklearkomplexen Tschernobyl und Sellafield, in Indiens IT-Metropole Bangalore und zur Agrarforschung in Brasiliens Nordosten. Von solchen Reisen können Journalisten heute nur noch träumen, die Sparschraube der Medien fesselt sie eng an den Bildschirm in der heimischen Redaktion.

Das war mit ein Grund, dass ich 2002 als Kommunikationsverantwortlicher ans Paul-Scherrer-Institut wechselte, eine intensive Zeit. Fünf Jahre später wurde der damalige PSI-Direktor Ralph Eichler zum ETH-Präsidenten gewählt und nahm mich mit an die Rämistrasse für eine neu geschaffene Stelle. Als sein persönlicher Kommunikationsberater, auf Neudeutsch «Spindoktor», arbeitete ich bis zu meiner Pensionierung im März 2014.

Du bist Ingenieur der ETH und Wissenschaftsjournalist im Unruhestand. Wie zeigt sich das?

Neugierig geblieben, habe ich weiterhin Beiträge als Wissenschafts- und auch Weinjournalist geschrieben. Vor viereinhalb Jahren erschien zudem mein Pamphlet «An den Tisch der Mächtigen!», das die ETH auffordert, mutiger zu werden und bei wichtigen Fragen wie dem Klimawandel öffentlich Position zu beziehen. Für die Online-Zeitung «Infosperber» verfasse ich noch heute Kolumnen über Wissenschaftsthemen.

Auch habe ich das Zeichnen wieder aktiviert. Eine verschüttete Fähigkeit, aber es macht Spass, politisch gewürzte Karikaturen zu zeichnen. Ich habe keinen Publikationsdruck mehr, schaffe aus purem Vergnügen. Doch mit 72 wird man langsamer und ermüdet schneller, man muss sich aufs Wesentliche konzentrieren.

Dazu gehört offensichtlich auch, neue Wege zu gehen und ein Buch zu schreiben. 2020 hast Du mit «Raclette chinoise» einen Wissenschaftspolitkrimi veröffentlicht.

Die Geschichte trug ich lange herum. Der Krimi spielt in Bern, auf der politischen Bühne der Bundesstadt. Die Story dreht sich um eine höchst umstrittene, künstlich intelligente Überwachungstechnologie, die am Zürcher Polytechnikum (sprich: ETH) erforscht und von China bezahlt wird. Das Projekt wirbelt viel politischen Staub auf, vermischt mit Intrigen und Korruptionsvorwürfen. Eine ranghohe Staatsbeamtin wird tot aus der Aare gezogen. War es ein politischer Mord, verknüpft mit der brisanten Kontrolltechnologie? Mehr dazu will ich nicht verraten, empfehle aber die Lektüre.

Wer soll das Buch lesen?

Angesprochen sind anspruchsvolle Leserinnen und Leser, die an neuen Technologien wie Algorithmen zur verlässlichen Gefühlserkennung interessiert sind. Es geht ebenso um das damit verbundene hitzige Ringen um politische und wirtschaftliche Macht. Angesiedelt ist der Krimi im wunderschönen Bern und an internationalen Schauplätzen wie Shenzhen und Vaduz.

Für mich war es eine komplett neue Erfahrung, dieses Buch zu verfassen. Als Journalist schreibt man eher analytisch und erklärt, was vorgeht. In einem Krimi muss man die Geschichte in Szenen und mit Dialogen umsetzen, damit es spannend wird. Ich stehe noch am Anfang und lerne viel.

Hast Du einen Tipp für die heutigen Studierenden?

Zurzeit haben es die Studierenden nicht leicht, die Hochschulen sind geschlossen. Es gibt keinen direkten Austausch im Hörsaal, auch Cafeteria und Mensa sind zu. Das Coronavirus hat das Studentenleben hart getroffen. Die jungen Menschen tun mir leid, aber nichtsdestotrotz: Die Pandemie wird einmal enden.

Ich beneide die Studierenden um das vielfältige Studium, das die ETH heute bietet. Wenn man effektiv Verantwortung übernehmen will, gibt es auf diesem Planeten für ETH-Studierende sehr viel zu tun, um eine ökologisch und sozial nachhaltige Welt zu planen und auszugestalten. Die ETH bietet dazu solide berufliche Grundlagen, die ein breites Interessenspektrum abdecken. Bitte nutzt diese, um eine postfossile Gesellschaft aufzubauen!

Raclette chinoise von Beat Gerber

ISBN 978-3-8392-2748-0

Erhältlich in Buchhandlungen oder online.

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