Thomas Wüst: «Die ETH bereitet ihre Studenten exzellent auf die Zukunft vor, und das zahlt sich langfristig aus.»

Was wolltest Du als Kind werden?

Als Jugendlicher wollte ich eigentlich Journalist, Buchautor oder Sänger einer Rockband werden. Mein Vater war erfolgreicher ETH Bauingenieur. Er hat 33 Patente realisiert, aber halt alle im Angestelltenverhältnis. Ich wollte schon immer mein eigener Herr sein und sicher nicht Ingenieur.

Du hast Informatik an der ETH abgeschlossen. Was hat Dich motiviert, an der ETH zu studieren?

Ich war mir nicht sicher, ob nun ein Sprachenstudium oder die ETH das Richtige für mich sei. Am Schluss haben die Neugierde und das Interesse an der Technik und den Naturwissenschaften die Oberhand gewonnen. Spannend war für mich damals auch, dass ich schon als Student mit Informatik Geld verdienen und so schneller unabhängig werden konnte.

Wie hat Dir Dein ETH Abschluss bei dem Berufseinstieg geholfen?

Unendlich viele Chancen - alle Türen standen offen, und das war wunderbar. Der Übergang vom freien Studentenleben hin zum Arbeitsleben war damals eine unangenehme Erfahrung. Es war trotzdem schön, überall willkommen und umworben zu sein. Am Ende meines Studiums war ich finanziell völlig ausgebrannt und habe es dann sehr geschätzt, von interessierten Firmen zum Lunch eingeladen zu werden. Die ETH bereitet ihre Studenten exzellent auf die Zukunft vor, und das zahlt sich langfristig aus.

Heute bist Du Gründer und CEO von ti&m. Wie kamst Du dazu, das Unternehmen zu gründen?

Ich schätze die Freiheiten, die einem das Unternehmertum bietet und liebe es, selbstbestimmt und voll verantwortlich Themen und Produkte mit exzellenten Leuten voranzutreiben. Bevor ich die ti&m gründete, war ich CEO einer erfolgreichen IT Firma. Trotzdem war ich unglücklich über die fehlenden inhaltlichen Werte und langfristigen Visionen. Grossfirmen konnten mir nicht mehr bieten, als nur Geld zu verdienen. Zudem war ich gelangweilt vom Offshore- und IT-Comodity Hype der 2000er Jahre. Ich wollte damals und will noch heute ganzheitliche, innovative Lösungen und Produkte vertikal integriert in der Schweiz realisieren und von hier aus in die Welt tragen. Dafür musste ich wohl oder übel eine eigene Firma gründen und meine Vision der IT in die Realität umsetzen.

Was bedeutet die aktuelle Corona-Krise für Dein Unternehmen?

Die Corona-Krise verlangt agileres und schnelleres Handeln. Planbarkeit war gestern, heute oder schon morgen gelten wieder neue Regeln. Agilität und schnelles Entscheiden liegen mir und sind Teil der ti&m Unternehmenswerte. Mittelfristig beschleunigt die aktuelle Corona-Krise die Digitalisierung. So hat die Krise viele Gefahren und negative Auswirkungen auf uns als Gesellschaft, welche ich sehr bedauere und mit allen Direktbetroffenen mitfühle. , Für die IT hat sie langfristig auch wenige, positive Aspekte. ti&m hat sich bis anhin als Firma wacker gehalten, steht unter Volllast und wird auch im Jahr 2020 wieder ein Wachstum im, zwar tiefen, aber zweistelligen Prozentbereich schaffen. Da mir Unabhängigkeit sehr wichtig ist, haben wir kein Fremdgeld in der ti&m. Dies stellt in so unberechenbaren Zeiten wie heute mehr als ein Vorteil dar und macht uns resistenter gegenüber Krisensituationen.

Was würdest Du den heute Studierenden der ETH weitergeben?

Behaltet in den Startsemestern die Nerven und freut Euch auf die wählbaren Vertiefungsfächer, die sind das Salz in der Suppe eures Studienganges. Und bei aller Arbeit – vergesst nicht, die Freiheiten des Studentenlebens ab und an richtig auszuleben und zu geniessen. Und nach dem Studium? Als ETH Abgängerinnen und Abgänger seid Ihr privilegiert und habt eine grosse Auswahl an Möglichkeiten. Nutzt dieses Privileg, probiert Neues aus und tut vor allem genau das, wofür Ihr Euch begeistern könnt. Denn der Begeisterung folgt zumeist der Erfolg von ganz alleine…