Carlo Centonze: «Die Covid-19 Krise stellt sowohl eine riesen Chance als auch eine grosse Gefahr für unsere Firma dar.»

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Carlo Centonze hat an der ETH das Studium zum Forstingenieur absolviert und ist heute CEO der Textilchemie-Firma HeiQ. Im Interview spricht er über den Zufall, der ihn zu seinem Studium und seiner heutigen Tätigkeit geführt hat, über Höhen und Tiefen, die einen im Unternehmertum begegnen. Wichtig dabei ist das Erkennen von Potenzial, gekoppelt mit Ausdauer und viel Biss.

Carlo Centonze

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich wollte Militärpilot werden, was ich dann auch beinahe geworden bin. Ich war eines dieser Kinder, die Tom Cruise in dem dazumal neu erschienenen Film «Top Gun» nacheifern wollten. Ich war auf der Ziellinie der militärischen Ausbildung, als der Brigadier uns informierte, dass sie nun den FA-18 gekauft hätten. Darum bräuchten sie nur noch gut einen Viertel aller Piloten.

Aus heutiger Sicht war das gar nicht so schlecht. Ich bin anschliessend an die Universität gegangen, sonst hätte ich wahrscheinlich nicht studiert.

Du hast an der ETH im Bereich Forstwissenschaft abgeschlossen. Warum hast Du Dich für ein Studium an der ETH entschlossen?

Zuerst habe ich mit einem Studium in Wirtschaft in St. Gallen angefangen. Im ersten Semester fehlte mir dann aber der Enthusiasmus für das Fach. Danach habe ich auf Biologie an der Universität Zürich umgesattelt. Dort wäre ich fast zum Wissenschaftler ausgebildet worden was einzig an meiner Ungeduld und meinem Schaffensdrang scheiterte.

Ich musste irgendetwas zwischen Wirtschaft und Biologie finden, und da gab es das Studium des Forstingenieurs an der ETH. Heute heisst dieser Studiengang Umweltnaturwissenschaften. Dieses Studium war eine multidisziplinäre Ausbildung in den Bereichen Betriebswissenschaft, Juristik, Biologie aber auch der angewandten Forschung. Multidisziplinär in diesem Sinne, als dass man sowohl die wirtschaftliche als auch die juristische Seite, die in diesem Bereich in der Schweiz sehr stark reguliert wird, betrachtete. Insgesamt wurde man zu einem wisseschaftlich angehauchtem Betriebsführer – als Kantonsoberförster oder Forstbetriebleiter - ausgebildet.

Insgesamt habe ich mein Studium als sehr breitgefächert und interdisziplinär empfunden, Das hat mir sehr entsprochen und heute noch gehört diese Art vielfältig zu denken sicher zu einer meiner Stärken.

Wie hat Dir der ETH Abschluss bei Deinem Berufseinstieg geholfen?

Wie bereits erwähnt war hier sicherlich die unternehmerische Komponente meines Studiums sehr wichtig. Im Studium haben wir uns zu siebt als Gruppe zusammengetan und myclimate, heute einer der führenden Schweizer NGOs unter den Klimaschutzorganisationen, gegründet. Nach zwei Jahren harter non-profit Arbeit, habe ich die Chance verspürt, ein neues Start-up zu gründen und so ist dann mein zweites ETH Spin-Off HeiQ im Bereich der nachhaltigen chemischen Textilindustrie entstanden.

In myclimate haben wir uns vor allem mit den CO2-Emissionen im Luftverkehr beschäftigt. Textilien sind im Vergleich dazu für einen weitaus höheren Prozentsatz an Emissionen verantwortlich. Heute bin ich also in gleicher Mission im grösseren Feld unterwegs. Die Herumtüftelei als Student dazumal hat meine heutige Tätigkeit massgeblich geprägt: Zwei Start-ups und inzwischen sind bereits 15 Jahre seit der Gründung von HeiQ vergangen.

Du hast HeiQ mitbegründet und bist heute CEO. Was macht Dein Unternehmen?

Dr. Murray Height und ich haben HeiQ gemeinsam gegründet. Murray ist chemischer Ingenieur vom MIT, diese Mischung zwischen uns beiden aus Wissenschaft und Businessgespühr hat uns zusammengeschweisst.

Nachdem wir an der ETH schnell Freunde geworden sind, gab es da dann diese eine Wanderung in den Schweizer Alpen, bei welcher wir aufgrund unserer unangenehm riechenden Polyester-T-Shirts von unseren damaligen Freundinnen hundert Meter nach vorne geschickt worden sind. Und wie das bei zwei Ingenieuren so ist, wo ein Problem ist, so wird es gelöst. Aus der Problemlösung an diesem Abend ist dann die Idee entstanden, genau diese Thematik über die Funktionalität von Textilien weiterzuverfolgen.

HeiQ steht für Innovation in der Differenzierung von Textilien, deren Komfort und Schutz. Wir kreieren chemische Formulierungen, die gewisse Funktionalitäten eines Textils vermitteln, so zum Beispiel antistatisch, wasserabweisende oder geruchskontrollierende Funktionalitäten oder wie momentan sehr wichtig, antivirale Funktionalitäten von Textilien.

Das Steckenpferd von HeiQ besteht aus drei verschiedenen Standbeinen der Firma: Forschung & Entwicklung, globale Produktion und Ingredient Brand Marketing. Gerade die letzten beiden Bereiche sind für den Erfolg besonders wichtig: Wir verlagern die Produktion nicht wie viele andere Start-ups nach aussen, unserer Meinung nach kann sehr viel Innovation im Produktionsschritt beobachtet und analysiert werden. Mit dieser Einstellung schaffen wir auch weitere Arbeitsplätze für den Standort Schweiz und vor allem bleibt so das Know-How in unserer Firma. Und durch das Marketing unserer Produkte möchten wir die von uns entwickelten Technologien und deren Nutzen für Textilien und KonsumentInnen vermitteln. Beispielsweise durften wir mit dem Möbelhaus IKEA das Produkt «Gunrid» launchen, der erste Vorhang weltweit, der das Tageslicht benützt, um die Luft im Innenraum von Volatilen Organischen Compounds oder flüchtigen organischen Verbindungen zu reinigen.

Als Entwicklungs-, Produktions- und Marketing-Firma haben wir ein Netzwerk erstellt, das dazu in der Lage ist, die ganze Welt zu bedienen. Bei HeiQ scherzen wir, dass «the sun never sets on HeiQ» für uns – durch unseren cross-cultural und cross-ages Betrieb arbeiten wir 24 Stunden lang Hand in Hand als Team auf der ganzen Welt.

Was bedeutet die aktuelle Covid-19 Krise für Dein Unternehmen?

Einerseits stellt die aktuelle Krise für die Textilchemie-Industrie ein riesiges Problem dar, da die Textilindustrie an sich vom Konsum abhängt. Dieser Konsum findet momentan nicht statt. Wir müssen eine schwierige defensive Strategie fahren und sehr sorgfältig mit unseren Ressourcen umgehen, um diese Krise zu überwintern.

Andererseits konnten wir HeiQ Viroblock lancieren. Am Anfang dieser Krise haben wir gespürt, dass keine normale Influenza, sondern ein grösseres Problem auf uns zukommen wird. Bereits im November letzten Jahres haben wir sofort alle Ressourcen auf ein potenziales antivirales Produkt gesetzt. Wir hatten dabei das Glück, dass wir bereits zusammen mit einem anderen ETH Spin-off vor einigen Jahren an der Forschung und Entwicklung einer antiviralen Funktion gearbeitet haben. So konnten wir innerhalb von drei Monaten – normalerweise braucht es dazu neun bis zwölf Monate – ein antivirales Produkt zu launchen, knapp zwei Stunden nach der Ausrufung des Schweizer Ausnahmezustands. In der Krise entstand eine riesige Chance für HeiQ. Die Entwicklung des HeiQ Viroblocks ist ein Beweis für uns als agile, flexible Firma, die sich innerhalb eines Monats in einem neuen Bereich positionieren kann. Das ist eine Topleistung von meinem Team, da bin ich sehr stolz darauf.

In den letzten vier Wochen haben wir von mehr als tausend neuen Firmen Anfragen für HeiQ Viroblock Chemie und Schutzmasken erhalten. Wir bekamen so viele Bestellungen, dass wir diese zur Zeit kaum nachstellen können. Gerade jetzt ist es sehr schwierig, neue Leute auszubilden, weshalb wir mit dem zurechtkommen müssen, was wir haben. Die Covid-19 Krise stellt sowohl eine riesen Chance als auch eine grosse Gefahr für unsere Firma dar.

Was würdest Du den Studierenden heute mitgeben?

Ich kann ihnen drei wichtige Tipps auf den Weg geben: Erstens, probiert das mit dem Unternehmertum aus, es macht Spass! Start-ups sind eine gute Sache. Manchmal ist es pickelhart, aber wenn man etwas auszuhalten vermag, dann kommt es gut.

Zweitens, wenn man ein Start-up gründet und dabei jeden Schweizer Franken zweimal umdrehen muss, bevor man ihn ausgibt, dann ist es ganz wichtig: Macht so etwas niemals alleine! Es gibt so viele Höhen und Tiefen, da ist es besser zu zweit zu sein, am besten komplementär wie Murray und ich.

Drittens und das ist das wichtigste: Never ever give up!  

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