ETH Alumni Besichtigung des "Pumpspeicherwerks Linth-Limmern"
OG Zürich Alumni
Am 23. August 2019 bot sich uns 26 ETH Alumni die einmalige Gelegenheit, einen vertieften Einblick in den Aufbau und Betrieb des Pumpspeicherwerks (PSW) Linth-Limmern zu werfen. Die Anlage gilt als "Prestigeobjekt" der Axpo Power AG (Axpo) und hat weltweit für positive Schlagzeilen gesorgt. Mutig und engagiert wurde das Vorhaben anfangs der Nullerjahre initiiert; von 2007 bis 2009 bis ins letzte Detail geplant und projektiert, um dann in rekordverdächtigen sieben Jahren umgesetzt zu werden.
Ein Jahrhundertbauwerk
Die neue Anlage weist eine Pumpleistung und eine Turbinenleistung von je 1000 Megawatt auf. Zusammen mit dem 1964 fertiggestellten Kraftwerk Linth-Limmern erhöhte sich die Leistung mit dem PSW von rund 520 auf 1520 Megawatt. Diese Leistung entspricht etwa der 1.5-fachen der Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen.
Im Gegensatz zu reinen Speicherkraftwerken können Pumpspeicherwerke wie das PSW Limmern nicht nur Spitzenenergie erzeugen, sondern auch Stromüberschüsse, die während Schwachlastzeiten anfallen, in wertvolle Spitzenenergie umwandeln. Sie pumpen zu diesem Zweck Wasser in den höher gelegenen Stausee zurück und nutzen es zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Stromproduktion.
Die Pumpspeicherung ist eine bewährte Methode, um Angebot und Nachfrage in einem Stromnetz auf umweltfreundliche und wirtschaftliche Art auszugleichen. Trotz gegenwärtiger Kritik (da dieser Tage die europäischen Strompreise subventionsbedingt viel zu tief liegen), spielt das PSW Limmern nicht nur eine wichtige Rolle in der Versorgungssicherheit, sondern auch für die Stabilisierung der Stromnetze. Es schafft obendrein 53 Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung in einer Arbeitsplatz-mässig nicht verwöhnten Umgebung.
Kurz vor 10 Uhr versammelten wir uns also zuhinterst im Glarnerland am Fuss der Anlage in Tierfehd auf 811 Metern über Meer. Der Ort liegt am Ende des Talbodens, nochmals zirka neun Kilometer nach der Abzweigung von der Klausenpass-Strasse in Linthal.
Die Baubahnen
Unter sachkundiger Führung der beiden Gruppenleiter und ausgerüstet mit Sicherheitsweste und einem Lautsprecher-Knopf im Ohr ging es dann mit der Material-Standseilbahn durch den 3.8 Kilometer langen Schrägstollen direkt ins Herz der Anlage auf 1700 Metern über Meer. Für die zwei 860 Kilowatt-Antriebsmotoren (wobei der zweite nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt) waren wir bloss ein "Fliegengewicht", ist diese Bahn doch in der Lage, bis zu 200 Tonnen schwere Lasten durch den Berg hoch zu ziehen. Nach Massgabe der Grösse und Ausdehnung der eingesetzten Transformatoren wurde zu Beginn der Bauphase mittels einer 600 Tonnen schweren Tunnelbohrmaschine der Stollen für diese Standseilbahn ausgehoben. Die Bahn wird während den gesamten 80 Jahren Konzessionszeit für den Transport der Ersatzteile ihren Dienst verrichten.
Im Gegensatz dazu wurden die andern Bauseilbahnen wieder zurück gebaut. Die Tragseile, der 25 Tonnen Schwerlast-Luftseilbahn (in Sonderfällen bis zu 40 Tonnen) vom Installationsplatz Tierfehd zur Bergstation Kalktrittli, hatten nach rund 2.2 Millionen Tonnen Bergfahrten und 1.2 Millionen Talfahrten (sprich 2000 Tonnen pro Tag!) ihre Lebenszeit erreicht. Diese Bahn bleibt uns bloss noch durch eindrückliche Bilder mit am Tragjoch angehängten Lastwagen, Dumper, Dozer und Bagger in schöner Erinnerung.
Betrieb
Die Kavernenzentrale besteht nebst einer scheinbar unübersichtlichen Anzahl von Neben- und Zugangsstollen hauptsächlich aus dem Maschinenhaus, dem Trafohaus, sowie je zwei Röhren von je acht Metern Durchmesser zum 780 höher gelegenen Muttsee auf 2474 Metern über Meer auf der einen Seite und zum 180 Meter höher gelegenen Limmernsee auf der anderen Seite. Somit ergibt sich eine relative Höhendifferenz von (je nach Wasserstand) rund 600 Metern zwischen den Seen. Teil des Projektes war es, am Muttsee eine bis zu dreissig Meter hohe Staumauer zu errichten, womit die Kapazität von früher neun auf 23 Millionen Kubikmeter erhöht wurde. Der Limmernsee andererseits fasst 92 Millionen Kubikmeter.
Das Prinzip eines Pumpspeicherwerks ist so einfach wie genial: schreit der Markt nach elektrischer Energie, so können vom Axpo-Leitwerk Baden aus bis zu vier Maschinen mit je 250 Megawatt--Leistung innerhalb von zwei Minuten angefahren werden, um den Bedarf im Stromnetz zu decken. Tatsächlich konnte sich das Werk Anfang August auch beweisen als das Kernkraftwerk Gösgen kurzerhand vom Netz genommen werden musste. Dann war es der Axpo möglich, die 1000 Megawatt-Leistung des Kernkraftwerks für 33 Stunden komplett zu kompensieren!
Umgekehrt kommt es vermehrt vor, dass die durch Wind- und Sonnenkraftwerke entstehenden Stromspitzen "verbraucht" werden müssen. Das geht soweit, dass die Verbraucher dafür sogar bezahlt werden! In solchen Momenten wird dann Energie aus der durch das nahe gelegene Schwanden (GL) führenden 380 Kilovolt Nord-Süd Hauptverbindungsleitung - „Vorab“ genannt - abgezweigt. Durch den Schrägstollen wird die Energie dann direkt zu den Transformatoren geführt. Umgeformt auf 18 Kilovolt werden die Generatoren dann zu Motoren und verbrauchen die überschüssige Leistung, indem bis zu 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde vom Limmernsee wieder in den 600 m höher gelegenen Muttsee gepumpt werden. Zur Veranschaulichung: Der Wasserausfluss vom Zürichsee in die Limmat am Bellevue beträgt zirka 60 bis 70 Kubikmeter pro Sekunde...
Diese Energie steht dann also wieder für spätere Spitzen zur Verfügung. Man hat hier also für knapp zwei Milliarden Schweizer Franken eine gigantische "Batterie" realisiert!
Als zusätzliches "Zückerchen" können die Maschinen ausserdem noch so genannten "Blindstrom" kompensieren, da die Generatoren/Motoren als Doppel-Asynchronmotoren ausgestaltet sind. Blindstrom kann durch induktive Verbraucher entstehen und bedeutet für die Leitungen und Transformatoren eine zusätzliche Belastung, weshalb er im Allgemeinen unerwünscht ist.
Das hintere Linth-Tal ist eine der niederschlagsreichsten Regionen der Schweiz. Es ist ein Segen für die Anlage. Die zahlreichen Wasserfassungen erstrecken sich vom Klausenpass bis nach Elm über ein Einzugsgebiet von 140 Quadratkilometern. Wie wir beim abschliessenden Besuch in der Kontrollzentrale erfuhren, werden die Wettervorhersagen mit genutzt, um die 40-Stunden Vorausplanung zu ermitteln, wobei stets eine garantierte Mindestmenge an Wasser in die Linth abgelassen wird.
Führung
Im eigens eingerichteten "Bergkino", 700 Meter tief im Bergesinnern, genossen wir einen Einführungsfilm, in welchem der Bau eindrücklich gezeigt wurde. Danach gelangten wir durch ein Labyrinth von Tunneln, Gängen, Stollen und Treppen nacheinander zu
- den Pumpturbinen mit Spiralgehäusen und den mächtigen Hydraulikzylindern zur Einstellung der Leitschaufeln auf die gewünschte Leistung,
- den Generatoren/Motoren sowie als Höhepunkt
- in die gewaltige 150 lange und (ab den Saugrohren) 50 Meter hohe Maschinenkaverne.
Hier hatten wir das "Glück", dass Mitarbeiter von Generalunternehmer General Electric (GE) an einer der vier Maschinen gerade Garantiearbeiten ausführten. So bot sich uns ein einmaliger Anblick in das offene Rotor-/Stator-Gehäuse sowie auf einen daneben abgestellten Kugelschieber, mit rund 120 Tonnen das zweitschwerste Bauteil, welches durch den Schrägstollen mittels Standseilbahn seinen Platz erreichte. Diese Kugelschieber, also quasi der "Wasserhahn" an jeder Maschine schliesst übrigens bei einem "Blackout" - ein gefürchtetes Szenario für ein PSW - automatisch. Um die Kräfte auf die Leitungen in Grenzen zu halten, wird das Ventil innert sieben Sekunden erstmal nur auf 70 Prozent geschlossen, um sich dann für die restlichen 30 Prozent nochmals 30 Sekunden Zeit zu nehmen. Das fünfte (Reserve-)Laufrad lud als Hintergrund zu einem Gruppenphoto ein. Die Kaverne in den Berg zu bauen und die Maschinen daran zu befestigen, macht grossen Sinn, da der Fels die extremen Kräfte mühelos aufnehmen und ableiten kann. Obwohl sich während unserer Führung bloss eine Maschine im Generatorbetrieb befand, waren die auftretenden Vibrationen schon allgegenwärtig und eindrücklich in den Böden und Wänden zu spüren. Eine zweite Maschine war relative "leise" daran, Blindstrom zu kompensieren.
Durch den "Schaltboden" und vorbei an den "Wendepolschaltern" und den Transformatoren erreichten wir dann wieder die Bergstation der Standseilbahn. Diese brachte uns wieder sicher in den Talboden, auf welchem sich nach einem kurzen Besuch in der Kontrollzentrale dann ein Teil der Gruppe im Hotel Sternen noch ein feines Mittagessen gönnte bevor wir alle bei Bilderbuch-Wetter und blauem Himmel die ausgedehnte Rückreise ins Unterland antraten.
Besten Dank nochmals an Irene Steimen und Hanspeter Keel für die Organisation und Durchführung des Anlasses!
Weitere interessante Informationen finden sich unter:
axpo - Pumpspeicherwerk Limmern
Das vorgeführte Video und viele weitere interessante dokumentarische Werke sind übrigens auch im Internet einsehbar. Man braucht auf den Seiten der einschlägigen Suchmaschinen bloss die Stichworte "Pumpspeicherwerk Limmern Kurzfilm" einzugeben.