Meinungsbildung zur Initiative für sauberes Trinkwasser

OG Basel Alumni

Exkursion vom 14. Mai 2019 einmal anders: Die OG Basel organisiert eine spannende Meinungsbildung mit fast zwei Duzend Alumni zur Firma Syngenta in Stein AG und zum Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Anlass ist die «Initiative für sauberes Trinkwasser», welche 2020 zur Abstimmung an der Urne aufliegen wird.

Trinkwasser

Sauberes Trinkwasser und eine Welt ohne Pestizide?

Wer könnte verneinen, dass wir so etwas nicht wollten. Deshalb beginnt Giovanni Bonavia den Thementag mit einer Umfrage unter den Teilnehmenden. Zwei Drittel der Anwesenden würden denn auch spontan einer solchen Initiative zustimmen; einige sind noch unentschlossen und zwei würden spontan ablehnen. Die Fragen der Initianten «sauberes Trinkwasser» und «Verbot von synthetischen Pestiziden» sind im Mai oder Juni 2020 an der Urne zu beantworten. Um die Meinungsbildung anzustossen, hat unser Kollege Giovanni diesen spannenden Tag organisiert.

Darstellung von Daniel Thüring, Syngenta

Syngenta ist ein Schwergewicht in der Branche mit weltweit 5'000 Mitarbeitenden in Forschung und Entwicklung (F&E) und einem dementsprechend ansehnlichen 1.3 Milliarden Schweizer Franken Budget, was einem Anteil von 10 Prozent des Jahresumsatzes gleich kommt.

Zuerst erfahren wir einige Zahlen zur Beschreibung der Lage in der Welt: Die Bevölkerung wächst pro Tag um 200’000 Menschen. Obwohl diese Zahl rückläufig ist, bedeuten mehr Menschen mehr Nahrungsmittel. Statistiker erwarten, dass in dreissig Jahren eine schwindende Anzahl Menschen auf dem Land für ungefähr 10Milliarden Menschen mehr und qualitativ bessere Lebensmittel produzieren müssen. Fast die Hälfte dieser Menschen hat dann auch noch mit Wasserknappheit umzugehen. Zudem geht immer mehr Agrarland aus unterschiedlichen Gründen verloren. Traurig ist schon heute, dass fast eine Milliarde Menschen hungrig ins Bett gehen müssen; ironischerweise arbeiten 70 Prozent von ihnen in der Landwirtschaft. Ob sich diese Menschen motivieren lassen, diese enormen Herausforderungen zu stemmen, mag sich jeder selber beantworten. Klimaveränderungen helfen der Sache auch nicht. Nebenbei die Top drei Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erfüllen, liest sich wie Science Fiction: Armut beenden, Ernährung sichern und gesundes Leben für alle. Gefragt sind deshalb Lösungen von allen Seiten; inklusive der Industrie. Ganz ohne Pestizide wären bis zu 40 Prozent Ernteausfälle zu erwarten. Zudem ginge ein grosser Teil der Ernte noch bei der Verteilung und der Kundenakzeptanz verloren; Neudeutsch «Food-Waste». Nicht zu unterschätzen ist auch die mögliche Kontamination der Nahrungsmittel mit Pilzen, Krankheiten wären die Folge. Interessanterweise zielen die Initianten mit dem Pestizidverbot oder dem Verbot von Subventionen ebenfalls auf den biologischen Landbau, der notabene nicht gänzlich auf den Gebrauch dieser Substanzen verzichten kann. Siehe mehr dazu unten im Beitrag beim FiBL.

Thematik Trinkwasser

Sauberes Trinkwasser, diese Thematik ist uralt. Ich erinnere mich an Typhusfälle in der Schweiz und auch an Nitratbelastung in diversen Gegenden; nicht zuletzt landeten auch Spuren davon im Henniez. Seither haben wir mit Kläranlagen, sorgsamerem Umgang mit Abfällen, natürlichem und künstlichem Dünger und auch zielorientiertem Umgang mit Pestiziden Fortschritte erzielt. Da jedoch fast alles, was wir in die Umwelt ausbringen, letztlich im Wasser landet, sind wir alle verpflichtet, die Thematik Gewässerschutz nach wie vor ernst zu nehmen. Leider wird die extrem verbesserte Analytik oft für absurde Gesundheitsrisiken herangezogen, lässt sich heute doch ein Würfelzucker im Bodensee zuverlässig nachweisen.

Reduktion der Umweltbelastung

Nach der eindrücklichen Präsentation von Herrn Thüring haben wir nun Gelegenheit, die F&E Labore, Gewächshäuser und Testeinrichtungen anzuschauen. Wir lernen, dass Syngenta intensiv an alternativen Stoffen arbeitet. Bis zur Marktreife vergehen aber durchschnittlich acht Jahre und es kostet ungefähr 250 Millionen Schweizer Franken. Dieser Aufwand ist gerechtfertigt, da die Mittel wirksamer und weniger umweltbelastend sein müssen. Ich nehme gerne diesen Vergleich: Zur Entwicklung eines neuen Medikamentes verstreicht ähnlich viel Zeit und die Kosten sind mit 1 Milliarde Schweizer Franken in einer ähnlichen Grössenordnung. Zurück zum Rundgang: Die erheblichen Kosten für F&E sind sichtbar, ist doch sehr viel Handarbeit involviert. Reben eignen sich als Testpflanzen für viele Schädlinge wie Mehltau, der besonders anpassungsfähig ist. Für die Entwicklung neuer Substanzen wären allerdings Feldversuche viel zu ineffizient. Hier helfen Laborautomaten, die Testplatten mit Substraten oder Blattrondellen rasch bearbeiten können. Dieses Screening wird mit Substanzbibliotheken unterstützt.

Ortswechsel zum Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick

Wir starten im Forschungsinstitut für biologischen Landbau, kurz FiBL, mit einem feinen Mittagessen und begeben uns dann in den Vortragssaal. Monika Schneider stellt uns das Forschungsinstitut vor. 1973 als private Stiftung gegründet, arbeiten heute 200 Mitarbeitende an praxisorientierter F&E. Dies in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen; zum Beispiel auch Ebenrain; siehe Bericht der Exkursion vom 7. November 2018. Neben F&E kümmert sich das FiBL auch um Sozioökonomie, Nachhaltigkeitsmodelle und Politik. Ein brennendes Thema im biologischen Landbau sind bislang nicht verzichtbare Pestizide wie Kupfer. Ersatzmittel für dieses Fungizid sind dringend gesucht. Immerhin liess sich die Ausbringung von Kupfer von jährlich 80 Kilogramm pro Hektare auf 4 Kilogramm pro Hektare verringern.

Am 31. Juli berichtet die externe Seite Tagesschau recht ausführlich über dieses Thema.

Pestizidverbot

Lizius Tamm stellt verschiedene Themen vor, zum Beispiel die Studie der EAWAG über Risikoquotienten. Einige Stoffe erreichen Konzentrationen die grösser als 0.1 Teile in einer Million sind. Wie schädlich sind die grössten Gemüseproduzenten in Almeria in Spanien unter Plastik? Ist statistisch nachweisbar, ob Unfruchtbarkeit bei Mäusen oder Häufigkeit von Krebserkrankungen zum Beispiel im Rebbau vermehrt auftritt? Dann zu einigen Begriffen: Die Initianten gehen mit dem Begriff Pestizidverbot sehr weit. So sind doch unter diesem Begriff auch nicht synthetisch hergestellte Substanzen enthalten. Für den biologischen Landbau sind gewisse Substanzen erlaubt, unter anderen vier von Greenpeace unter Bann stehende Substanzen Kupfer, Paraffinöl, Pyrethrine und Spinosad. Der jährliche Pestizidverkauf beträgt gemäss Herr Tamm 2200 Tonnen.  Aus den kürzlich verfolgten Diskussionen zum Thema im Nationalrat entnahm ich 2000 Tonnen pro Jahr, davon 85 Prozent für die Landwirtschaft. Das macht 300 Tonnen pro Jahr für beispielsweise Gartenbau, Grünflächenunterhalt und nicht zuletzt für Privatpersonen

Biologischer Landbau

Wenn die gesamte Schweizer Landwirtschaft nach biologischem Landbau betrieben würde, dann liesse sich die Menge an Pflanzenschutzmitteln nur um 50 Prozent reduzieren. Es gäbe einen Minderertrag von 20 bis 30 Prozent. Das sieht nicht nach der ultimativen Lösung aus und ist nach wie vor nicht kompatibel mit den extremen Forderungen der Initianten. Derzeit produziert 15 Prozent der Landwirtschaft nach biologischen Regeln; beim Gemüse sind es gar 20 Prozent. Das heisst, dass das Hochfahren auf 100 Prozent eine gewaltige Aufgabe wäre. Gibt es Ausnahmeregelungen für unwirtliche Verhältnisse, als wie im letzten Jahr wegen anhaltender Trockenheit das Biofutter ausgegangen ist? Kommt hinzu, dass mit den Landwirten wohl ein grosser Teil der Pestizidverbraucher adressiert wäre; für den Einsatz der Mittel bei Privaten, Gemeinden und Gärtnereien bestünde ebenfalls Handlungsbedarf.

Herr Tamm gibt Lösungsansätze und Forschungsschwerpunkte weiter:

  • Als Kupferersatz wäre das Extrakt aus Lärchenrinde Larixol & Larixolacetat geeignet. Das Verfahren ist patentiert, eine ökonomische Gewinnung aber noch nicht ausgereift.
  • Nützliche Mikroorganismen in Pflanzen; die Forschung steht hier am Anfang.
  • Einsatz von Mischkulturen, die sich gegenseitig unterstützen: Erbsen mit Gerste, Kohl und Kornblume
  • Smart Farming, Kartoffeln sortieren, Jätroboter
  • Ist Hors Sol oder Urban Farming eine Lösung? Hier ist die Abfallproblematik zu beachten. Geschlossen sind diese Kreisläufe auch nicht.

Wie steht es mit der Initiativen-Umfrage?

Nach dieser geballten Ladung an Informationen erwarten wir mit Spannung die Wiederholung der Umfrage. Tatsächlich würden nun fast 80 Prozent% der Teilnehmenden die Initiativen ablehnen. Nur gerade ein Teilnehmer ist nach wie vor unentschlossen. Es ist noch viel Aufklärungsarbeit bis zur Abstimmung zu leisten. Nicht alle bekommen die Gelegenheit zu einer derart ausführlichen Darstellung, wie wir sie heute erleben dürfen.

Abschluss auf dem Hornhof

Unweit vom FiBL ist der Hornhof. Unser Kollege Rony Grisard erwarb den Hof mit Umschwung oberhalb von Frick und richtete eine Schafzucht unter der Obhut des aktuellen Mieters und seiner Tochter ein. Rony konnte schrittweise die Weidefläche vergrössern und kleinere Anpassungen am Stall und an der Scheune realisieren. Die Lage auf einen Felssporn bietet eine fast 300-Grad Aussicht auf das Fricktal. Winzer ernten aus dem eigenen Rebberg und keltern Weisswein, Rosé und Rotwein. Diese Sorten finden wir aufgetischt zum Apéro; zusammen mit Speckgugelhupf und Laugenbrötli ein köstlicher Genuss für die Gäste. Beim Abschied erhält jeder von uns eine Flasche +HORNHOF+.

Dankeschön

Dem Organisator, Giovanni Bonavia, den Referenten und unserem Kollegen Rony Grisard möchten wir an dieser Stelle für die Organisation, die Beiträge und den „Schlussgang“ zum gelungenen Anlass danken.

Persönliche Anmerkung

Dieser spannende Informationstag zeigt eindrücklich, dass wir dem Thema nachhaltige Nahrung grösste Beachtung schenken müssen. Fangen wir bei uns selber an und beeinflussen die Nahrungskette, indem wir weniger Lebensmittel verschwenden. Weniger einkaufen und das Ablaufdatum nicht als magische Grenze betrachten: Vorher gut, nachher schlecht ist völlig übertrieben. Zur Beurteilung der Qualität gibt es viele Tipps.

Pestizide müssten sorgfältig einsetzt werden; wir brauchen nicht jede Blattlaus einzeln zu ertränken. Auch die privaten Pflanzenschutzmittel gelangen bei unsorgfältiger Anwendung leider ins Wasser. Die Initiativen Trinkwasserschutz und Pestizidverbot sollen zu Diskussionen anregen. Sie sind allerdings weit übertrieben und gehören als Gesetze nicht in die Bundesverfassung. Eine überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden kommt nach diesem lehrreichen Tag zum gleichen Schluss.

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