Andreas Moschin: «Sicherheit hat zunehmend mit neuen Technologien zu tun.»
Alumni Porträts
Andreas Moschin hat an der ETH die militärische Führungsschule abgeschlossen und arbeitet heute als Chef der Einsatzabteilung der Stadtpolizei Zürich. Er erzählt uns von den Veränderungen am Sicherheitsdispositiv an Grossanlässen, und wie die Stadtpolizei immer mehr neuen Technologien einsetzt.
Du hast an der ETH die militärische Führungsschule abgeschlossen. Was für Erinnerungen hast Du an die ETH?
Ich habe das dreijährige Diplomstudium zum Berufsoffizier an der Militärischen Führungsschule und der damaligen Abteilung für Militärwissenschaften der ETHZ absolviert. Heute ist das die Militärakademie an der ETH. Ich war also im ersten Leben Berufsoffizier und bin nun seit 13 Jahren bei der Stadtpolizei Zürich als Polizeioffizier tätig.
Ich habe gute Erinnerung an die ETH. Die Ausbildung war sehr breit: Strategie, Psychologie aber auch sozialwissenschaftliche Themen. Sie gibt mir einen breiteren Hintergrund für meine Arbeit. Wenn ich eine Ausbildung als Polizist von der Pike durchlaufen hätte, wäre mein Wissen nicht so breit.
Ich erinnere mich an durchwegs kompetente Professoren. Wir angehende Berufsoffiziere waren jeweils beeindruckt, wenn wir in Räume kamen, wo vorher Mathematik unterrichtet wurde. Da standen Formeln von oben links bis sieben Tafeln weiter unten rechts. Und bis heute hilft mir dieses Studium in meiner täglichen Arbeit.
Du bist heute Oberstleutnant und arbeitest als Chef der Einsatzabteilung der Stadt Zürich. Was beinhaltet Deine Arbeit?
Hauptsächlich geht es um die Sicherstellung der sicherheitspolizeilichen Grosseinsätze, der Einsatzleitung der Grundversorgung sowie Festlegung der Einsatzdoktrin und deren Umsetzung. Bei der Stadtpolizei Zürich sind 2'100 Mitarbeitende tätig, davon sind 1'400 effektiv Polizistinnen und Polizisten, welche auch bewaffnet im Einsatz sind. Der tägliche Streifenwagendienst rückt beispielsweise bei einem Unfall oder Einbruch aus. Das steuert die Einsatzzentrale, welche zu meiner Abteilung gehört.
Die vielen Veranstaltungen der Stadt wie Fussballspiele, Demonstrationen, Häuserbesetzungen oder Konzerte machen den grossen Teil meiner Arbeit aus. Veranstaltungen bedeuten immer Planung, Einsatzführung und auch Nachbereitung. Teilweise leite ich Einsätze selber, wie beispielsweise am 1. Mai oder Hochrisikofussballspiele.
Wir arbeiten auch mit Ingenieuren, welche Berechnungen für Fluchtsituationen durchführen. Andreas Moschin
Was läuft im Hintergrund von solchen Veranstaltungen?
Für die Sicherheit an Grossveranstaltungen haben wir in den letzten Jahren viel gemacht. Ein Auslöser war 2010 die Katastrophe an der Love Parade in Duisburg, welche daraufhin ja verboten wurde. Nehmen wir beispielsweise das Züri Fäscht, das in drei Tagen zwei Millionen Menschen anzieht. Wir nahmen Duisburg zum Anlass, um vom Veranstalter neue Auflagen einzufordern. Eine war beispielsweise die Erweiterung des Festgeländes, damit sich die Gäste besser verteilen. Wir wollten auch eine Reduktion der Attraktionen und Belegung. Wir definierten Orte, welche nicht mehr oder nur einseitig mit Ständen belegt werden durften. So vermeiden wir Flaschenhälse, das hat mit Crowd Management zu tun. Wir arbeiten auch mit Ingenieuren, welche Berechnungen für Fluchtsituationen durchführen. Dann denke ich wieder an die Zeit an der ETH, an diese Tafeln voller Berechnungen und Formeln. Das Organisationskomitee plant und veranstaltet das Fest also in sehr enger Zusammenarbeit mit uns.
Seit 2015 beschäftigen wir uns auch mit der Terrorbedrohung, welche immer noch als erhöht gilt. So haben wir am Züri Fäscht auch ein Sperrkonzept entwickelt: An den Zufahrtswegen zum Fest richten wir Sperrvorrichtungen am Boden oder Netze aus Titan ein. Das machen wir übrigens auch an der Street Parade und anderen kleineren Veranstaltungen.
Dann gibt es den Einsatzplan der Polizei für die drei Tage: Wie wird in den verschiedenen Fällen reagiert? Es gibt einen grossen Deliktskatalog vom Taschendiebstahl bis zur Vergewaltigung. Wir erarbeiten also ein Dispositiv, wie wir die Leute ausbilden und einsetzen wollen. Laufend entwickeln wir Szenarien und planen die polizeiliche Reaktion. An den drei Tagen führen wir dann den Einsatz durch.
Die Stadt wächst, aber der Stellenbestand wächst bis jetzt nicht mit. Also müssen wir unsere Ressourcen noch gezielter einsetzen. Insofern sind neue Technologien sehr nützlich.Andreas Moschin
Wie gross ist der Einfluss von neuen Technologien im Bereich der Sicherheit?
Sicherheit hat zunehmend mit neuen Technologien zu tun. Das Organisationskomitee und die Stadtpolizei haben beispielsweise die Züri Fäscht App entwickelt. Anfänglich war die ETH mit von der Partie. Der jetzige Betreiber dieser App ist ein Spin-off der ETH.
Im Zusammenhang mit Einbruchsdelikten setzen wir seit mehreren Jahren eine Prognose-Software ein, das Stichwort ist «Predictive Policing». Wir erhalten jeden Tag Alarmmeldungen, welche auf Daten gestützt sind: In diesem Quartier wird mit einer Wahrscheinlichkeit von x in der nächsten Zeit eingebrochen. Also erhöhen wir zum Beispiel die Präsenz von uniformierten Beamten. Die Erfolgsquote lässt sich nicht exakt messen. Aber seit wir diese Software im Einsatz haben, ist die Anzahl der Einbrüche rückläufig.
Die Stadt wächst, aber der Stellenbestand wächst bis jetzt nicht mit. Also müssen wir unsere Ressourcen noch gezielter einsetzen. Insofern sind neue Technologien sehr nützlich.