Dr. Jürg Werner: «Rückblickend konnte ich nur sehr wenig, was ich an der ETH gelernt hatte, nicht brauchen.»

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Jürg Werner ist seit 2012 CEO der Metall Zug AG. Von 1976-1981 studierte er Elektrotechnik an der ETH in Zürich. Anschliessend arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und schloss 1987 mit einer Dissertation ab. Er sprach mit den ETH Alumni über die Wichtigkeit von einer guten Grundlagenausbildung und einer Verzahnung der Hochschule mit der Industrie.

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«Das Meiste, was ich an der ETH gelernt hatte, konnte ich irgendwann tatsächlich einsetzen.»Dr. Jürg Werner

Was wolltest Du als Kind werden?

Mein erstes Radio baute ich in der dritten Primarklasse, denn ich hatte schon sehr früh gern mit Elektronik zu tun. Ich kannte die praktische Elektronik also schon vor dem Studium und holte mir dann das theoretische Wissen an der ETH. Ich legte mein Studium bewusst darauf aus, die Theorie möglichst breit kennenzulernen. Das half mir dann später.

Du hast an der ETH Zürich in Elektrotechnik studiert und promoviert. Hast Du die ETH also gewählt aufgrund Deiner Faszination in der Elektrik?

Absolut. Mein Bruder behauptet, ich hätte schon vor dem Kindergarten mit Taschenlampen experimentiert. Daran erinnere ich mich nicht mehr. Wenn man in die Tiefe geht, sind viele Themen spannend. Aber Elektrik interessierte mich immer besonders.

Gab es andere Hochschulen, die zur Auswahl standen?

Es gab damals schon ein breites Angebot, aber vor allem im Ausland. Für mich war klar, dass die ETH gut ist, dazu war sie in der Nähe. Daher passte es.

 

«In der Industrie fand ich interessant, dass ich gestalten und innovativ sein kann.»Dr. Jürg Werner

Du arbeitest heute als CEO eines Industrieunternehmens mit mehr als 5'000 Mitarbeitenden. Inwiefern hat das Studium den Berufseinstieg erleichtert?

Ich hatte ja zwei Karrieren. Nach der Promovierung war ich bei den Bell Labs in der Forschung tätig. Damals hatte ich in den USA dank dieser Institution mit 6'000 Forscherinnen und Forschern unglaubliche Möglichkeiten. Als ich mich entschied, wieder in die Schweiz zurückzukehren, lag für mich der Schritt in die Industrie nahe, da die Forschung in der Schweiz nichts Vergleichbares bieten konnte. Wenn ich in der Forschung geblieben wäre, hätte es in einem universitären Umfeld sein müssen. In der Industrie fand ich interessant, dass ich gestalten und innovativ sein kann.

Beide Welten sind unterschiedlich, und ich möchte die Erfahrungen nicht missen. Ich war in den Bell Labs nicht der einzige ETH-Absolvent. Uns fiel auf, dass wir viel breiter ausgebildet waren als unsere Kollegen in den USA. Bei meinem Schritt von der Forschung in die Industrie half mir die Breite des ETH-Studiums wieder. Rückblickend muss ich sagen, dass ich nur sehr wenig, das ich an der ETH gelernt hatte, nicht gebrauchen konnte.

Du bist Mitglied der ETH Alumni Vereinigung. Was bedeutet Dir die Mitgliedschaft?

Für mich ist diese Mitgliedschaft ein Zeichen der Solidarität mit der Hochschule und mit den jungen Leuten. Ich spende privat immer wieder. Denn mir ist es wichtig, dass Personen gefördert werden, damit diese die Zukunft der Industrie und der Forschung tragen. Dies erachte ich als enorm wichtig für die Schweiz. Ich engagiere mich auch im Advisory Board des Departements für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH. Damit möchte ich die Brücke zurück zur Industrie schlagen. So erhalten die Studierenden eine Vorstellung, was sie später machen können, und sie erkennen aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen.

Es ist wichtig, dass Stärken bewahrt werden, da die Gefahr besteht, dass vor lauter Innovationsdrang die Stärken, welche jahrelang aufgebaut wurden, vergessen gehen. Sonst fängt man immer wieder auf der grünen Wiese an. Es gilt, sich den Stärken bewusst sein, sie behalten aber trotzdem Neues zulassen. Dies in einer geschickten Art zu kombinieren, das könnte eine Rolle sein, welche die Alumni gut spielen könnten. Diese Ausbildung darf für die Industrie nicht verloren gehen.

«Sich in neue Themen einarbeiten kann man nur, wenn man in der Erstausbildung eine gewisse Breite hatte.»  Dr. Jürg Werner

Wir bei Metall Zug können Angestellten keine Grundlagenausbildung bieten, aber wir können sie in einer Spezialität nachausbilden. Wer die Differenzialrechnung nicht versteht oder kein Grundverständnis für Physik hat, hat es schwer. Aber wir können den Mitarbeitenden unsere Kollaborationstools oder für die Industrie typische Arbeitsmethoden beibringen. Es ist daher wichtig, dass die Personen eine robuste Grundlagenausbildung erhalten.

Meines Erachtens dürfen Teamwork und andere Themen nicht zulasten der soliden Grundlagen gefördert werden. In einer beruflichen Laufbahn kann es viele Veränderungen geben, und darauf muss man vorbereitet werden. Auch ein Spezialist muss in der Lage sein, seine «Nische» zu verlassen und sich rasch in ein anderes Gebiet zu vertiefen. Sich in neue Themen einarbeiten kann man nur, wenn man in der Erstausbildung eine gewisse Breite hatte.

«Eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Arbeiten ist, dass man das theoretische Wissen in der Praxis umsetzen kann.»Dr. Jürg Werner

Eine gewisse Tiefe darf aber nicht vergessen gehen, denn es ist wichtig, auf den Grund gehen zu können. Eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Arbeiten ist, dass man das theoretische Wissen in der Praxis umsetzen kann. Das ist meines Erachtens ein Faktor des Erfolgs der ETH.

Was wünscht Du Dir von den ETH Alumni?

Eine wichtige Aufgabe ist meines Erachtens das Zusammenhalten bzw. das Fördern von Verbindungen untereinander. Das Studium ist relativ anonym: In meinem Studiengang war ich eine Person von 300 Studierenden. Man wird da zur Zahl. Diese Verbundenheit wird später wichtig für das Netzwerk, die Entwicklung und den Austausch. Das könnte noch mehr gefördert werden, und ich sehe das als Wunsch für die Entwicklung der ETH Alumni. So profitiert die jüngere Generation vom Wissen der Älteren.

Eventuell muss das schon während des Studiums gefördert werden. Die Gemeinschaften und das Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen einfacher im persönlichen Kontakt. Ich sehe an anderen Hochschulen, vor allem auch in den USA, dass die Zusammengehörigkeit schon während des Studiums stark gefördert wird. Da hat die ETH eventuell ein wenig Nachholbedarf.

Online lernen ist gut, aber es braucht trotzdem den menschlichen Austausch. Man kann den Unterricht mit einem online Angebot ergänzen, um ein Thema nachlesen oder vertiefen zu können. Aber die Stärke liegt im persönlichen Zusammenhalt. Ich bezweifle sehr, dass dies auch digital erreicht werden kann. Gerade wenn Fachspezialisten zusammenarbeiten, ist der persönliche Kontakt wichtig. Und ich glaube, dass da die ETH noch Nachholbedarf hat. Denn es fehlen der Campus und die Nähe zu den Start-ups. Eine bessere Verknüpfung mit der Industrie würde der ETH guttun. Generell, wenn ich ETH und EPFL vergleiche, ist die EPFL ein Stück näher an der Industrie. Auf dem Campus werden Start-ups und kleine Firmen in die Universität eingebunden.

Was möchtest Du den Studierenden von heute mitgeben?

Die Breite des Studiums, welche man anfänglich vielleicht nicht einsieht, hilft später sehr. Man soll offen sein für Neues, den Innovationsgedanken in sich tragen. Ein tiefes Verständnis der Grundlagen legt eine gute Basis. Enorm hilfreich sind ausserdem Auslandsaufenthalte, heute ist eher der Blick nach Asien hilfreich. Damit hat man gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere.
 

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