Extrem spontan: Umwelt Alumni am Improvisationstheater-Workshop

Umwelt Alumni

Es ist ein sonniger Samstagnachmittag Anfangs April, an dem sich 16 Umwelt Alumni in einem Saal der Töpferei Zürich für ein Theaterabenteuer treffen. Wir haben uns auf einen Improvisationstheater-Workshop der bekannten Theatergruppe Anundpfirsich eingelassen, organisiert von den Umwelt Alumni.

improvisationstheater

Die Stimmung ist eine Mischung aus Vorfreude und Anspannung darüber, was in den folgenden vier Stunden folgen wird. Das Ungewisse ist ein toller Eisbrecher fürs Kennenlernen und schnell wird klar, dass wir alle im gleichen Boot sitzen: Wir alle kennen und lieben Improvisationstheater vom Zuschauen und wollen das hier im geschützten Rahmen mal ausprobieren. Aber muss man dafür nicht witzig sein und das Rampenlicht lieben? Ich kann nicht mal gut Witze erzählen und soll nun vor diesen Leuten auf der Bühne etwas Witziges abliefern, was zum Teufel habe ich mir überlegt? Gerade als ich beginne, so richtig nervös zu werden, ruft uns unser Coach Niggi zusammen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, es geht wohl oder übel los.

Den Perfektionismus ablegen

Da sitzen wir nun im Kreis, während uns Niggi auf sympathische Art erklärt, dass wir heute definitiv unsere Komfortzone verlassen werden aber wahrscheinlich anders als erwartet. Wir beginnen mit einer Kennenlernübung, in der wir das Gegenüber innerhalb von 20 Sekunden zeichnen, allerdings ohne dabei auf das Blatt zu schauen. Wer denkt sich so etwas aus? Die Resultate sind erstaunlich kreativ und witzig, und die angespannte Stimmung löst sich innert Minuten in Gelächter auf. Niggi erklärt uns anschliessend den Sinn der Übung: Hätten wir während des Zeichnens auf das Blatt geschaut, wären wir wahrscheinlich jetzt noch am Korrigieren, Nachbessern und Vergleichen. Im Alltag wollen wir Mängel und Fehler verständlicherweise um jeden Preis verhindern. Das ist natürlich und normal aber im Improvisationstheater kommt uns unser Perfektionismus und die Angst vor Fehlern in die Quere. Spontaneität funktioniert nicht, wenn man sich konstant hinterfragt, und so versuchen wir unseren Perfektionismus für die nächsten Stunden so gut wie möglich abzulegen.

Jeder Fehler ist eine Gelegenheit

Es ist kein Zufall, dass sich die Worte Fehler und Helfer die gleichen Buchstaben teilen. Im Improvisationstheater sind Fehler freundliche Helfer, die Türen in unvorhergesehene Richtungen öffnen können. Das zeigt sich eindrücklich in einer weiteren Übung, bei der jemand mit einem Begriff beginnt und reihum die jeweils erste Assoziation zum vorherigen Begriff genannt wird. Während im ersten Durchlauf möglichst gute Assoziationen gefunden werden sollen, geht es im zweiten Durchgang nur darum, möglichst schnell zu antworten. Entgegen meiner Erwartung fühlt sich die zweite Runde trotz deutlich höherem Tempo entspannter an, und die Assoziationen sind insgesamt witziger und kreativer. Das Tempo zwingt uns dazu, die erste Assoziation zu nennen, egal wie abstrus diese auch erscheint. Das führt zu unerwarteten Wendungen mit vielen Lachern, die wiederum sämtliche Vorausplanung im Keim ersticken. Es fühlt sich befreiend an zu sehen, wie eine vermeintlich an den Haaren herbeigezogene Assoziation nicht als Fehler angeschaut wird, sondern zu einer spannenden Kette neuer Begriffe führt, die in dieser Form wohl niemand von uns vorhergesehen hätte.

Von Geschenken und dem Mut zur Definition

Nun führt uns Niggi an einige Improvisationstechniken heran. Wie geht man vor, wenn man mit jemandem auf der Bühne steht und ohne Vorgaben etwas erschaffen will? Die verblüffende Antwort: Man beschenkt sich gegenseitig. Ein Geschenk ist alles, was in einer Szene die Beziehung zum Gegenüber definiert oder konkretisiert und damit Ansatzpunkte für ein «Gegengeschenk» liefert. Eine Aussage von meinem Gegenüber wie «Jetzt hast du mein Spielzeug kaputt gemacht, du bist echt die nervigste Schwester der Welt» ist für mich ein wertvolles Geschenk: Ich weiss nun, wer ich bin (die Schwester) und in welcher Beziehung wir beide zueinanderstehen (Geschwister im Zank). Dieses Geschenk kann ich annehmen und darauf aufbauend ebenfalls etwas zurückgeben, das die Szene weiter mit Details anreichert: «Das geschieht dir nur recht, nachdem du meinen Hund überfahren hast! ». Diese gegenseitigen Geschenke und der Mut, einfach einmal etwas zu definieren, lassen eine Szene aus dem Nichts auf erstaunlich organische und spassige Weise wachsen.

Soft Skills für den Job
Immer wieder nimmt sich Niggi Zeit, um die Erkenntnisse der Übungen zu reflektieren und in einen grösseren Zusammenhang zu stellen. Dabei geht es nicht nur darum, wie wir unsere Erkenntnisse aus den Übungen auf der Bühne anwenden können. Viele Konzepte können auch auf alltägliche Situationen im Job übertragen werden. Bei genauerem Betrachten ist das nicht verwunderlich, denn im Theater geht es ja genau darum, sich selbst und das eigene Handeln zu reflektieren und gezielt einzusetzen. Diese Fähigkeit kann bei Gesprächen oder Sitzungen wertvoll sein, um eine angenehme Gesprächskultur und Gruppendynamik zu unterstützen. Beispielsweise ertappe ich mich bei Diskussionen immer mal wieder dabei, dass ich eine möglichst treffende Antwort zu formulieren beginne, lange bevor mein Gegenüber seine Aussage beendet hat. Dadurch nehme ich die letzten Sätze weniger bewusst wahr und meine Antwort knüpft nicht wirklich an die Aussage an. In Zukunft werde ich mir in solchen Situationen einige Erkenntnisse von diesem Workshop ins Gedächtnis rufen.

Ab auf die Bühne

Den Abschluss bilden zwei kurze Szenen auf der Bühne vor der restlichen Gruppe im Zweier- und Dreierteam. Ich rufe mir in Erinnerung: Keine Witze oder Aktionen planen, sondern möglichst im Moment agieren, um die Geschenke meiner Bühnenpartner annehmen zu können und selbst Geschenke zurück zu geben. Klingt in der Theorie gut, aber ich bin nervös. Kaum fällt der Startschuss, verfliegt die Nervosität unter dem Gelächter der Kuriosität der sich entwickelnden Szene. Wir spielen mehrminütige Szenen, in denen zu Beginn bis auf eine Bewegung oder ein Wort nichts definiert ist. Manchmal unterstützt uns Niggi mit Anregungen, aber der Grossteil kommt von uns. Das habe ich mir vor einigen Stunden nicht erträumt, und was mich fast am meisten verwundert: Es macht wirklich Spass, und ich muss sogar teilweise ab mir selbst lachen! So geht es mir auch als Zuschauer bei den anderen Gruppen, denn in jeder Szene ergeben sich durch die Situationskomik einige ungeplante, wirklich lustigen Momente.

Anders als erwartet, besser als erwartet

Kaum werden wir auf der Bühne warm, ist die Zeit leider auch schon um. Niggi hatte recht, es war anders als erwartet. Ich hätte nicht erwartet, so viel zu lachen. Ich hätte nicht erwartet, dass man sich als Gruppe innert kurzer Zeit derart vertraut kennenlernt. Sonst brauche ich Tage oder Wochen, um mir 16 Namen zu merken. Ich hätte nicht erwartet, dass es derart spassige und mächtige Techniken für Improvisationstheater gibt. Ich dachte, Improvisationstheater habe man im Blut oder eben nicht. Und ich hätte nicht erwartet, dass wir nach vier Stunden bereits Szenen improvisieren können, bei denen ich als Zuschauer immer mal wieder herzhaft lachen musste. Zusammenfassend kann ich nur sagen: Ja, es war anders als erwartet aber weit besser als erwartet.
 

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