Bernhard Wehrli: «Wir bilden Leute mit interdisziplinären Perspektiven aus.»
Alumni Porträts
Professor Bernhard Wehrli studierte an der ETH Zürich Chemie und promovierte 1987. Heute lehrt er als Professor an der ETH Aquatische Chemie und forscht mit seiner Gruppe in diesem Bereich seit 1988 an der Eawag. Er engagiert sich für interdisziplinäre Lehre und Forschung im ETH Bereich.
Was hat Dich motiviert an der ETH Zürich Chemie zu studieren?
Naturwissenschaften haben mich schon als Jugendlicher fasziniert und ich wollte etwas Relevantes studieren. Chemie hat mir imponiert, da es ein Fachgebiet ist, welches nach wie vor in allen Aspekten unseres Alltags von grosser Wichtigkeit ist, zum Beispiel in Textilien, in der Ernährung, und Arzneimitteln. Daher habe ich mich für ein Chemiestudium an der ETH entschieden. Zudem war ich stets daran interessiert, mein erworbenes Wissen nach Abschluss meines Studiums, zum Nutzen der Gesellschaft einsetzen zu können. Dies tue ich nun mit meinen Tätigkeiten in der Lehre und Forschung. Es macht mir nach wie vor Spass, einerseits mit den Studierenden an der ETH, anderseits mit meinen Forscherkollegen und –kolleginnen an der Eawag zusammen zu arbeiten und dabei Umweltsysteme aus naturwissenschaftlicher, sozialwissenschaftlicher und technischer Perspektive zu betrachten.
«Es braucht die Mischung von gesundem Selbstvertrauen und Offenheit gegenüber Neuem.»Bernhard Wehrli
Du bist seit 1991 Professor an der ETH Zürich, was hat sich in dieser Zeit in der Ausbildung der Umweltnaturwissenschaften verändert?
Die Lehre der Umweltnaturwissenschaften an der ETH haben in den letzten Jahrzehnten einen enormen Wandel erfahren. Als ich studierte, gab es diese Fachdisziplin so noch nicht, nur einzelne Ökologievorlesungen, aber keine eigene Studienrichtung. Die Eawag hingegen hat eine längere Geschichte in der Umwelt- und Abwasserforschung, und deren Forscher haben auch mitgeholfen, den Studiengang Umweltnaturwissenschaften aufzubauen. Damals brachten sich jüngere Mitarbeitende mit interdisziplinärer Forschungserfahrung in diese Thematik ein und haben den Studiengang mitgeprägt. Während dieser Zeit erlebte ich nach meinem Abschluss als «Jungspund» und ETH-Absolvent eine Pionierzeit auf dem Gebiet der Umweltnaturwissenschaften und hatte das Glück, diese Entwicklung mitgestalten zu können.
In den letzten 20 Jahren konnte sich die Umweltforschung etablieren und professionalisieren, ist somit akzeptiert und zu einer umfassenden Ausbildung mit verschiedenen Vertiefungen wie Atmosphäre und Klima, Biogeochemie und Schadstoffdynamik, Ökologie und Evolution, Umweltsysteme und Politikanalyse, Wald- und Landschaftsmanagement, Gesundheit, Ernährung und Umwelt geworden.
«Unsere Studierenden haben von Anfang an eine breite Ausbildung in Biologie, Physik und Chemie.»Bernhard Wehrli
Heute sind Umweltnaturwissenschaften zu einem beliebten Studiengang an der ETH geworden. Die heutige Generation der Studierenden schätzt die Breite der Fächer sowie das systemorientierte, interdisziplinäre Denken, wie wir es an der ETH lehren. Die Spezialisierung erfolgt, im Gegensatz zu anderen Fachrichtungen, in dieser Ausbildung erst später und fokussiert auf ein Umweltsystem und weniger eine Disziplin.
Welches sind Deine Forschungsschwerpunkte an der Eawag?
An der Eawag leite ich die Forschungsgruppe Aquatische Chemie. Dort befassen wir uns damit, die Kreisläufe von Kohlenstoff, Nährstoffen und Schadstoffen in Flüssen und Seen zu untersuchen sowie die Umweltbelastungen zu erforschen. Mein Team arbeitet an Gewässersystemen in der Schweiz, aber auch in Europa und Afrika. Dazu werden chemische Sensoren, stabile Isotopen, molekularbiologische Methoden und mathematische Modelle eingesetzt. Verschiedene Fachspezialisten des Eawag-Teams analysieren gemeinsam diese Gewässersysteme. In der Forschung hat in der Zwischenzeit schon eine Spezialisierung in sogenannte «Bindestrich-Disziplinen» wie Umwelt-Chemie, Umwelt-Physik, ökologische Biologie, Atmosphären-Chemie stattgefunden.
Was hat Dich motiviert eine akademische Karriere einzuschlagen?
Hauptsächlich wollte ich mit Menschen, und insbesondere mit jungen Leuten, arbeiten, um über die Lehre Wissen zu vermitteln. Ein wichtiger Faktor für mich ist die kreative Atmosphäre an einer Hochschule wie der ETH, welche durch Studierende, Doktoranden und Post-docs geprägt wird. Gleichzeitig schätze ich die Forschungsumgebung an der Eawag, wo ich im Gegensatz zur Hochschule, zusammen mit meinen Forschungskolleginnen und -kollegen in einem weniger hierarchischen Umfeld arbeite.
«Die Hochschule lebt von den jungen Leuten, die immer wieder kommen und gehen.»Bernhard Wehrli
Was würdest Du Studierenden und Berufseinsteigern als Rat für ihren Karriereweg mitgeben?
Ich rate den Studierenden für berufliche Chancen offen zu sein und diese aufzuspüren und wahrzunehmen. Zudem braucht es für ein ETH-Studium das Selbstvertrauen, dass man es schafft. Ich finde es wichtig, dass heutige Studierende eine Karriere ausserhalb des Hochschul- oder Forschungsumfeldes genauso in Betracht ziehen, wie eine akademische Perspektive. Wer eine akademische Karriere anstrebt, sollte sich bewusst sein, dass diese sehr anstrengend aber auch mit vielen Freiheiten verbunden sein kann. Ausserdem empfehle ich, den bewussten Entscheid dafür früh genug zu fällen und bereit zu sein, eine Weile im Ausland zu arbeiten. Heute braucht es professionelle Umweltfachleute in vielen Bereichen des beruflichen Lebens wie Umweltbüros, Verwaltungen, Versicherungen und vielen anderen Firmen.
«Es braucht die Bereitschaft einen grossen Einsatz zu leisten, die Leidenschaft für die Forschung und den Willen dranzubleiben.»Bernhard Wehrli
Prof. Dr. Bernhard Wehrli
Bernhard Wehrli ist ordentlicher Professor für Aquatische Chemie am Departement Umweltwissenschaften der ETH und Mitglied des Instituts für Biogeochemie und Schadstoffdynamik. An der Eawag leitet er die Forschungsgruppe Aquatische Chemie. Er studierte Chemie an der ETH Zürich, absolvierte den Nachdiplomkurs in Siedlungswasserbau und Gewässerschutz und promovierte 1987. 1991 wurde er als Assistenzprofessor für Aquatische Chemie an die ETH Zürich berufen. Er engagiert sich für interdisziplinäre Lehre und Forschung im ETH Bereich.