Hans Jäger: In Singapur daheim
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Hans Jäger lebt seit 20 Jahren in Asien. Doch auch in der Ferne ist er mit der ETH Zürich in regem Kontakt: als Gründer eines Ablegers der ETH-Alumni in Singapur.

Er fühlt sich in Singapur schon lange zuhause, das merkt man. In einem Kurzarmhemd im chinesischen Stil schlendert Hans Jäger an diesem Morgen am Ufer des Singapore River entlang. Die Gegend um das Ausgangsviertel Clarke Quay mitten im Stadtzentrum ist sein Quartier. Hier wohnt er gemeinsam mit seiner Partnerin in einer grossen Wohnanlage mit Gemeinschaftspool. Schon seit 20 Jahren lebt der heute 70-jährige ETH-Alumnus im südostasiatischen Stadtstaat, wenn auch mit ein paar Unterbrüchen. Denn Jäger ist viel herumgekommen; immer wieder hat ihn eine neue Stelle dazu bewogen, seine Koffer zu packen. Es ist erst Vormittag, die Temperatur liegt knapp unter 30 Grad und ist damit für Singapur noch mild. «Die Gegend hier hat sich in den letzten Jahrzehnten komplett verändert», sagt Jäger und zeigt auf die restaurierten und in Pastellfarben gestrichenen chinesischen Lagerhäuser. Wo früher Hafenpersonal arbeitete, feiern heute Touristen. Der Fluss, der noch bis in die 1980er-Jahre eher einer Kloake glich, ist heute Teil des Trinkwasserreservoirs. Jäger, der in Thalwil am Zürichsee aufgewachsen ist, spaziert weiter. Nach wenigen Minuten wird die Gegend beschaulicher. Statt laute Clubs gibt es hier Restaurants mit westlicher Küche und hippe Cafés. Mit seiner Schlüsselkarte öffnet er ein Tor, das direkt vom Flussufer in seine Wohnsiedlung führt. Unter der Gartenlaube setzt sich Jäger an einen Tisch im Schatten. «Singapur ist mein Lebensmittelpunkt», sagt er, während er sich zurücklehnt. «Hier ist es wunderbar!» Das Land sei ein multikultureller Schmelztiegel. «Das finde ich grandios.» Denn ein Grossteil der 5,6 Millionen Einwohner Singapurs stammt aus China, Indien und Malaysia. Dazu kommen Expats aus aller Welt. Wie die Schweiz hat das Land, das gerade mal halb so gross ist wie der Kanton Aargau, vier offizielle Sprachen: Englisch, Tamil, Chinesisch und Malaiisch. Am liebsten spaziert Jäger durch China Town, das nur wenige hundert Meter von seiner Wohnung entfernt liegt. Aber nicht durch den touristischen Teil. «Die Gassen, die von der Modernisierung verschont wurden, sind am spannendsten.» Überhaupt biete Singapur von allem etwas. Moderner Luxus trifft auf asiatische Traditionen, Wolkenkratzer und riesige Einkaufszentren auf mehr als 300 Parks und vier Naturreservate. Jäger hat in der Ferne seine Heimat gefunden. In die Schweiz zurückzukehren, ist lediglich sein Plan C. Doch dazu später mehr.
"Ich habe seit dem Studium nie mehr eine Maschine konstruiert, aber dafür viele Unternehmen."ETH Alumnus Hans Jäger
Raclette am Dschungelrand
Trotz der grossen Entfernung hat der ETH-Alumnus, der seinerzeit Maschinenbau studiert hat, den Kontakt zu seiner Alma Mater nie verloren. Im Gegenteil. Vor sieben Jahren hat er das ETH Alumni Singapore Chapter gegründet: ein Netzwerk von rund 50 ETH-Absolventinnen und -Absolventen und assoziierten Mitgliedern, wie etwa den Forschenden des Singapore-ETH Centre. Man trifft sich mehrmals im Jahr, davon jeweils einmal mit Familie und Freunden im Schweizer Club zum Raclette-Essen. Um geben vom Dschungel des nahegelegenen Naturreservats und von wilden Affen, die immer wieder auf dem Gelände streunen, schwelgt man in nostalgischem Heimweh. Hin und wieder kommen auch Mitglieder der Schulleitung zu Besuch, zuletzt ETH-Rektorin Sarah Springt man im vergangenen Frühjahr. Bei den Treffen des Netzwerks lernt man sich kennen, tauscht sich aus und knüpft wichtige Kontakte. «Die ETH Zürich ist nicht nur ein Wissenschaftstempel, sondern auch eine Brutstätte von Führungskräften technischer Unternehmen», ist Jäger überzeugt. Auch er ist diesen Weg gegangen. «Ich habe zwar seit meinem Studium nie mehr eine Maschine konstruiert, aber dafür viele Unternehmen. Organisation und Planung haben mich schon immer fasziniert.» Sein Wissen aus dem Maschinenbau-Studium setzte er nach seinem Doktorat an der ETH Zürich zunächst während zehn Jahren beim Lastwagen- und Textilmaschinenhersteller Saurer in Arbon am Bodensee ein, danach 13 Jahre lang bei Sulzer, einem Industriekonzern mit Sitz in Winterthur. Dieser war es dann auch, der ihn 1995 nach Singapur schickte: als Verantwortlichen für die Asien-Pazifik-Region. Da war Jäger schon 48 Jahre alt. «Mein Weg war unkonventionell: Meistens gehen die Menschen ins Ausland, wenn sie noch jung sind», sagt er. Den Schritt bereut hat er nie.
Abstecher in die Schweiz
Im Jahr 2000 aber kam sein grösster beruflicher Umbruch, als ihm der Posten als Rektor der Fachhochschule St. Gallen angeboten wurde. Das konnte er nicht abschlagen. Denn im Bildungsbereich tätig zu sein, war schon immer sein Wunschtraum. Also zog Jäger zurück in die Schweiz. Doch nur kurz – denn auch dieser Entscheid führte ihn schon nach drei Jahren zurück nach Asien. Mittlerweile hatte er zur Universität St. Gallen gewechselt, welche ihn in die indonesische Hauptstadt Jakarta delegierte. In Indonesien angekommen, engagierte er sich für das «International Senior Entrepreneurial Programm (ISEP)», ein Seminar für Führungskräfte, das von der Uni St. Gallen und der ETH Zürich getragen wurde. Zudem half er mit, die Swiss German University aufzubauen. Bis heute gibt er dort Kurse in strategischem Management und Entrepreneurship. «In Indonesien wird es gerne gesehen, wenn ein sogenannter ‹Buleh›, ein Weisser, doziert. Mit grauen Haaren wird man fast zum VIP», sagt Jäger lachend. Dennoch entschied er sich nach vier Jahren in Indonesien, zurück nach Singapur zu ziehen – und jede Woche ins 75 Flugminuten entfernte Jakarta zu pendeln. Dieses Mal war der Grund für seinen Umzug aber nicht der Job, sondern die Liebe. Denn bei einem Spaziergang im Fort Canning Park in Singapur hat er vor 15 Jahren seine heutige Partnerin, eine Singapurerin, kennengelernt. Wieder in Singapur wohnend, setzte Jäger weiterhin beruflich auf mehrere Pferde: Neben seinem Engagement in Jakarta ist er heute auch Direktor der Brain Connection Singapur, eines Unternehmens, das 2004 von ETH-Absolventen gegründet wurde. Kurse und Beratung zu den Themen Innovationen, Einfachheit und strategische Unternehmensentwicklung gehören zum Kerngeschäft. Zudem ist er als Berater für Siteco tätig: einen Nonprofitverein, der Projekte der dualen Berufsbildung in ausgewählten Schwellen- und Entwicklungsländern realisiert.
"Die ETH Zürich ist auch eine Brutstätte von Führungskräften technischer Unternehmen."ETH Alumnus Hans Jäger
Mehr Freizeit in Sicht.
Langsam denkt Jäger auch an seine Pensionierung. Gemeinsam mit seiner Partnerin, die im Erziehungsbereich tätig ist, möchte er mehr reisen. Die vier gemeinsamen Kinder mit seiner Ex-Frau leben über den Globus verstreut. Sieben Enkel hat er schon. Sie will er besuchen, aber auch Wandern in Burma, Westjava oder China hat es ihm angetan. Langweilig wird es ihm bestimmt nicht. Schliesslich ist Jäger auch Mitglied des Rotary Clubs, einer gemeinnützigen Organisation, die sich jedes Jahr eines bestimmten Projekts annimmt. In der Vergangenheit waren das etwa mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geborene Kinder in Indonesien oder Englischunterricht in chinesischen Primarschulen. Dieses Jahr hilft man Strassenkindern in Jakarta. «Mir ging es gut im Leben, da möchte ich etwas zurück geben», sagt Jäger. Sofern es seine Aufenthaltsbewilligung zulässt, will er noch lange in Singapur bleiben. Doch Jägers Bewilligung ist an seine Arbeit gebunden. Was passiert, wenn er sich zur Ruhe setzt, ist unklar. Als Plan B hat er sich eine Wohnung in Johor Bahru, Singapurs malaysischer Nachbarstadt gekauft, inklusive eines Visums für zehn Jahre. «Plan C ist ein Rückzug in die Schweiz.» Dort könnte er tun, was er in Singapur vermisst: Skifahren.
Zu Hans Jäger:
Der aus Thalwil stammende Hans Jäger hat an der ETH Zürich Maschinenbau studiert. Nach 23 Jahren bei Industrieunternehmen in der Schweiz zog er 1995 für die Firma Sulzer nach Singapur. Im südostasiatischen Stadtstaat hat er das ETH Alumni Singapore Chapter gegründet. Heute arbeitet er in Singapur und Indonesien, wohin er teilweise wöchentlich mit dem Flugzeug pendelt. In seiner Freizeit reist und wandert er gerne.
ETH Alumni Singapore Chapter
Zum ETH Alumni Singapore Chapter, das Hans Jäger vor sieben Jahren gründete, gehören aktuell rund 50 ETH-Alumni. Ziel des Chapters ist die Kontaktpflege unter den in Singapur lebenden ETH-Alumni. Das Chapter pflegt auch enge Beziehungen zu den Alumni der National University of Singapore (NUS), zum Singapore-ETH Centre und zu Swissnex.