Auf den Spuren von Max Frisch: Zwischen Bühne und Baustelle
ETH Zürich Foundation
Die ETH Zürich Foundation lud Donatorinnen und Donatoren im August zu mehreren Veranstaltungen des Max Frisch-Archivs. Eine Stadtführung gab Einblick in das Leben und Werk von Max Frisch. Ein Leben zwischen Architektur und Schriftstellerei.
Der Bruch sollte radikal sein: Als Max Frisch 1936 sein Studium der Architektur an der ETH Zürich aufnahm, verbrannte er all seine noch unveröffentlichten Texte aus der Jugendzeit. Ade Schriftstellerei. Eine bürgerliche Existenz wollte der 35-Jährige fortan führen. Über seine Hinwendung zur Architektur ist im «Tagebuch 1946-1949» zu lesen: «(...) was mich insbesondere zu diesem Beruf bewogen hatte, war (...) das Unpapierne, Greifbare, Handwerkliche (...).»
Wie das Leben von Max Frisch vor und nach diesem Bruch aussah, konnten Donatorinnen und Donatoren der ETH Zürich Foundation im August auf einer Stadtführung durch Zürich erfahren. Es gab viel zu entdecken unter der kundigen Leitung von Tobias Amslinger, Leiter des Max Frisch-Archivs an der ETH-Bibliothek.
Prägendes Schauspielhaus
Wichtige Orte im Leben von Max Frisch sind unter anderem an der Rämistrasse zu finden: Hier besuchte er die Kantonsschule und war als 15-Jähriger am Schauspielhaus vom Stück «Räuber« von Friedrich Schiller beeindruckt. Später erlebten fast alle Theaterstücke von Max Frisch am Schauspielhaus ihre Uraufführung.
So radikal der Bruch mit der Schriftstellerei nämlich auch gedacht war: Das «Papierne» liess Frisch nicht los. Noch während des Studiums der Architektur begann er wieder zu schreiben. Als er den Wettbewerb zum Bau des Freibades Letzigraben gewann, pendelte er Ende der 1940er-Jahre zwischen der Baustelle und den Proben seiner Theaterstücke am Schauspielhaus. «Hier die Handwerker, dort die Schauspieler. Das Wirkliche: die Spannung dazwischen», schrieb er ins Tagebuch. «Die Proben und das Entwerfen von Ideen waren ihm immer lieber als die fertigen Werke», führte Tobias Amslinger auf der Stadtführung aus.
Zurück zur Literatur
Als Frisch 1954 mit dem Roman «Stiller» einen grossen Erfolg erlebt, nimmt er den Bruch in umgekehrter Richtung vor. Er verkauft sein Architekturbüro und widmet sich wieder der Schriftstellerei. „Homo faber“, „Biedermann und die Brandstifter“ sowie „Mein Name sei Gantenbein“ sind einige der bekannten Werke, die danach entstehen. Ganz selten zieht es Max Frisch doch noch an den Zeichentisch, etwa als er 1981 für seinen Verleger Siegfried Unseld ein neues Haus plant (vgl. Bild) – gebaut wird es dann allerdings nicht.
Lebte Max Frisch zwischenzeitlich auch in Rom, Berlin und New York, so blieb er Zürich zeitlebens doch eng verbunden. Weitere wichtige Orte in seinem Leben sind ebenfalls an der Rämistrasse zu finden: In der Kronenhalle und im Café Odeon war Max Frisch oft mit Freunden aus der Künstlerszene anzutreffen.
So gern er die Geselligkeit pflegte, so diszipliniert und planvoll widmete er sich der Schriftstellerei: «Sein Vorgehen erinnert wiederum an einen Architekten», erläuterte Tobias Amslinger: «Max Frisch ging mit Papier und Schere ans Werk und baute seine Texte regelrecht zusammen.»
Der politische Mensch
Max Frisch war immer auch ein politisch denkender Autor und Mensch und beteiligte sich an öffentlichen Diskursen. Anzutreffen war eine solche Wortmeldung bei einer der letzten Stationen der Stadtführung. Für einen Brunnen auf dem Rosenhof im Zürcher Niederdorf formulierte Max Frisch 1967 eine Inschrift. Kein Denkmal wollte er damit schaffen, sondern einen Ort zum Nachdenken – etwa über den damals gerade aktuellen Vietnamkrieg.
Frisch graute davor, als inzwischen berühmter Schweizer eines Tages selber zu einem Denkmal zu werden. So traf er schon früh Vorkehrungen und gründete 1979 eine Stiftung, die seinen Nachlass verwalten sollte. Das Max Frisch-Archiv, das daraus entstand, stellt denn auch keine Pfeifen und Brillen von Frisch aus, wie Tobias Amslinger zum Abschluss der Stadtführung schmunzelnd erklärte: «Die Aufgabe des Archivs ist es, das Werk von Max Frisch lebendig zu halten und für die Forschung und die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.» Die Donatorinnen und Donatoren dankten dem Stadtführer für seine Ausführungen mit dem wohl schönsten Geschenk: Der Absicht, wieder einmal ein Werk von Max Frisch zu lesen.
Max Frisch-Archiv
Das Max Frisch-Archiv mit Sitz an der ETH-Bibliothek in Zürich betreut den literarischen und architektonischen Nachlass von Max Frisch. Dazu gehören 15.000 Briefe sowie die Notizhefte und Werkmanuskripte des Autors. Eine frei zugängliche Präsenzbibliothek bietet einen umfangreichen Bestand an Originalausgaben, Übersetzungen und Sekundärliteratur. Zweimal jährlich findet im Archiv eine Ausstellung statt – aktuell und noch bis zum 29. September 2017 zum Verhältnis von Max Frisch und dem Grafiker, Maler und Plastiker Gottfried Honegger.
Max Frisch-Archiv
http://www.mfa.ethz.ch