Jörg Sennheiser: «Man sollte immer Menschen um sich haben, die einem ungeschminkt das eigene Bild spiegeln»

Alumni Porträts

ETH Alumnus Jörg Sennheiser übernahm in zweiter Generation das Familienunternehmen und setzte mit zahlreichen technischen Innovationen Massstäbe bei Mikrofonen, Kopfhörern und Übertragungssystemen. Heute ist Sennheiser eine Premiummarke und steht für kompromisslosen Klang. In seiner Freizeit setzte sich Jörg Sennheiser zudem jahrelang für die ETH Alumni Vereinigung ein. Nach zwölf Jahren trat er diesen Frühling aus dem Vorstand zurück. Das Jobjournal sprach mit Jörg über seinen Werdegang.

Jörg Sennheiser, ETH Alumnus
Jörg Sennheiser, ETH Alumnus

Jörg, Du bist in Deutschland aufgewachsen und kamst Mitte der 1960er Jahre für Dein Studium an der ETH in die Schweiz. Warum die ETH?

Ich wollte aus dem Dunstkreis meiner Familie raus, denn in Deutschland war mein Vater sehr bekannt. Aus diesem Grund habe ich mich nach einer Universität im Ausland umgeschaut. In die USA wollte ich nicht mehr, da ich bereits als Schüler ein Austauschjahr an einer High-School verbracht hatte. So habe ich mich in Europa nach den besten Hochschulen umgeschaut und mich für die ETH entschieden, da diese einen sehr guten Ruf in der Elektrotechnik hatte.

Mit 32 Jahren bist Du als erster Technischer Leiter in das von Deinem Vater Prof. Dr. Fritz Sennheiser gegründete Familienunternehmen eingestiegen. War dieser Weg von Anfang an geplant?

Nein, überhaupt nicht. Nach dem Studium und der Promotion an der ETH suchte ich ganz bewusst meinen eigenen Weg und fing bei Siemens-Albis AG an. Nach einiger Zeit merkte ich jedoch, dass ich mehr wollte. Bei Siemens wäre eine Karriere allerdings eine fast endlose Geschichte geworden. Ein weiterer wichtiger Faktor war sicherlich auch meine Leidenschaft für Elektrotechnik und unsere Produkte, die mich schon seit meiner Kindheit begleiteten und mit denen ich von klein auf gespielt hatte. Dies alles hat dazu beigetragen, dass ich meinen Vater schliesslich fragte, ob ich nicht in unserem Unternehmen arbeiten dürfe. Im Rückblick kann ich sagen, dass es wohl einfach ein bisschen Abstand meinerseits brauchte, um zu erkennen, dass ich ins Familienunternehmen einsteigen wollte.

Unter Deiner Leitung hast Du das Familienunternehmen zu einem der führenden Akustikspezialisten ausgebaut. Was ist das Geheimnis Deines/Eures Erfolges?

Nun, ein Geheimnis ist es sicherlich nicht. Ich habe mir zu Beginn verschiedene Unternehmens-Modelle angeschaut und mich schliesslich für das St. Galler Management-Modell entschieden. Dieses stellt die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt. Zudem baute ich unser Unternehmen so auf, dass wir uns ohne Wenn und Aber auf unsere eigenen Stärken konzentrierten. Und ganz wichtig: Man sollte immer Menschen um sich haben, die einem das eigene Bild widerspiegeln. Ich hatte zum Glück immer gute Berater und Freunde, die mir ungeschminkt die Wahrheit sagten. Auch meiner Frau bin ich sehr dankbar, die immer hinter mir gestanden und mich unterstützt hat

«Mit meinem Engagement bei den ETH Alumni wollte ich der ETH etwas zurückgeben.»Jörg Sennheiser, ETH Alumnus

2015 wurde Dir der Deutsche Gründerpreis in der Kategorie Lebenswerk verliehen. Was bedeutet dieser Preis für Dich?

Zuerst einmal war ich sehr erstaunt, da ich nicht realisiert hatte, dass die Öffentlichkeit mich und mein Unternehmen als so erfolgreich wahrgenommen hatte. Mit dem Preis wurde aber auch unsere Lösung für die Nachfolgeregelung gewürdigt, welche dank dem Engagement unserer beiden Söhne sehr gut geglückt ist. Dies war für mich eine schöne Anerkennung, gerade auch weil ich mitbekommen habe, wie viele erfolgreiche Manager beim Thema Nachfolgeregelung ihren Erfolg kaputt gemacht haben. Als das Thema aktuell wurde, habe ich mich deshalb persönlich intensiv damit auseinandergesetzt und es nicht einem Berater oder einer Bank überlassen. Ich zog mich daher schon relativ früh aus dem operativen Geschäft zurück und setzte ein familienfremdes Management ein. So konnte ich Erfahrung sammeln, wie es wäre, wenn kein Familienmitglied Willens oder in der Lage gewesen wäre, die Firma zu übernehmen. Denn das war immer eine Möglichkeit.

Wie Du soeben erwähnt hast, hast Du Dich bereits 1996 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Heute führen Deine beiden Söhne Daniel und Andreas das Unternehmen in dritter Generation. Wie war es für Dich, die Führung Deinen Söhnen zu übergeben?

Es war sicherlich immer ein versteckter Wunsch, dass Daniel und Andreas eines Tages übernehmen würden. Meine Frau und ich haben unsere Söhne aber nie dazu gedrängt. Und so haben sie – genau wie ich damals – nach dem Studium zuerst andere Wege eingeschlagen. Umso schöner war die Überraschung, als sie eines Tages auf mich zukamen mit dem Wunsch, die Firma zu übernehmen. Dies haben wir dann Schritt für Schritt umgesetzt. Der ganze Prozess der Nachfolgeregelung war für mich ein sehr emotionaler Moment. Wir stellten eine Familiencharta auf, die für alle Familienmitglieder, auch jene, die nicht im Unternehmen arbeiten, verbindlich ist und welche das Fundament für die Zusammenarbeit darstellt. Sie definiert, wie wir miteinander, mit den Mitarbeitern, den Kunden und der Konkurrenz umgehen. Zudem ist es uns wichtig, dass wir solange wie möglich ein Familienunternehmen bleiben.

Du engagierst Dich stark für die ETH Alumni Vereinigung und warst von 2004 bis Mai 2016 Vorstandsmitglied. Was bedeutet die ETH Alumni Vereinigung für Dich?

Die Zeit an der ETH habe ich in sehr guter Erinnerung. Sie war unbeschwert und ich konnte eine ausgezeichnete Ausbildung geniessen. Ich wollte der ETH deshalb etwas zurückgeben. Aus diesem Grund habe ich mich schon relativ früh mit der Alumni Vereinigung, damals hiess sie noch G.E.P., in Verbindung gesetzt und bin so automatisch reingerutscht. Mir hat es immer Spass gemacht, vor allem weil ich merkte, dass ich mit meinem Engagement etwas bewirken konnte.

Du berätst junge Akustikspezialisten der ETH seit vielen Jahren bei der Existenzgründung. Welchen Rat gibst Du Jung-Unternehmern?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele ihr Spin-off ziemlich blau äugig angehen. Mir ist es darum ein Anliegen, ihnen die Augen zu öffnen, damit sie keine unnötigen oder zu grossen Risiken auf sich nehmen. Ein weiterer wichtiger Rat ist, wachsam zu sein und Chancen zu nutzen. Zudem ist Beratung das A und O. Denn jeder, der etwas erfunden hat oder ein Projekt realisieren will, ist meist etwas kritiklos sich selber gegenüber. Umso wichtiger ist deshalb die Aussenansicht eines Beraters. Für mich persönlich waren zudem auch immer der Wille zur Gestaltung und die nicht erlahmende Neugierde das Wichtigste. Das habe ich bis heute nicht verloren.

Kurzporträt Jörg Sennheiser

  • 1970: Dipl. El.-Ing. ETH
  • 1973: Dr. sc. techn. an der ETH
  • 1974 bis 1976: Projekt-Ingenieur bei der Siemens-Albis AG
  • 1976: Einstieg ins Familienunternehmen als Technischer Leiter
  • 1982: Geschäftsführender Gesellschafter
  • 1996: Rückzug aus dem operativen Geschäft
  • 2004 bis Mai 2016: Vorstandsmitglied ETH Alumni Vereinigung
  • Verheiratet mit Marlys Sennheiser, drei Kinder (Daniel, Andreas, Alannah)
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