Walter Fischli: "Es hätte auch schiefgehen können."

Alumni Porträts

Walter Fischli hat vor 18 Jahren das Pharma-Unternehmen Actelion mitgegründet. Motivation war nicht kommerzieller Erfolg, sondern die Suche nach Anwendungen für ein vielversprechendes Molekül.

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Walter Fischli, Biochemiker und Mitgründer von Actelion; Bild: Daniel Winkler

Wir treffen ETH Alumnus Walter Fischli im Forschungsgebäude von Actelion in Allschwil. Er führt mit so viel Freude und Verve durch die Raume, als hatte Actelion den Bau erst gerade bezogen. Dabei ist es bereits neun Jahre her. Man merkt: Hier spricht nicht ein Manager, sondern ein Gründer; jede Ecke erzählt auch ein Stuck von Fischlis Biografie. Auf das weiträumige Foyer im ersten Stock ist er besonders stolz. Hier finden regelmassig Konzerte statt, und gelegentlich kommt er an Samstagnachmittagen selbst her, um das Violinspiel zu üben – „wegen der fabelhaften Akustik“, sagt er in einem sympathischen Glarner Dialekt. Im Forschungsgebäude stechen zwei Wandmalereien eines vielgliedrigen Moleküls ins Auge, die sich über mehrere Stockwerke in die Hohe ziehen: Es ist die chemische Struktur von Bosentan, einem Wirkstoff gegen Lungenbluthochdruck und das Herzstuck der Firma. „Menschen, die zuvor zu schwach waren, um ihr Haus „zu“ verlassen, sind heute wieder selbstständig“, erzählt der mittlerweile pensionierte Biochemiker. „Genau das hatten wir uns damals erhofft. Das war unser Antrieb, um Bosentan auf den Markt zu bringen.“

Der Biochemiker aus musischer Familie

Fischlis Karriere als Biochemiker und Mitgründer Actelions ist zu grossen Teilen seinem enthusiastischen Biologielehrer im Gymnasium Luzern zu verdanken. „Er hat mich für die Naturwissenschaften begeistert. Zudem weiss ich seither, wie wichtig ein positiver Stimulus ist.“ Zuvor galt Fischlis Interesse voll und ganz der Musik. Er wuchs im Glarnerland in einer musischen Familie auf. Wie seine drei Geschwister musizierte er von klein auf „wie vergiftet“. Mit 16 Jahren spielte er Violine in einem Kammermusikensemble und stand regelmassig auf der Bühne. Heute ist er überzeugt, dass Musik und Wissenschaft viel gemein haben. „Albert Einstein, der Biochemiker Gottfried Schatz und viele weitere exzellente Forscher waren zugleich hervorragende Musiker.“ Die Intuition und Kreativität während des Spiels, das vernetzte Denken im Ensemble, all das sei ihm später auch als Forschungsleiter zugute gekommen.

„Es war uns wichtig, wieder in der Nähe der Familie und eines vertrauten Umfelds zu sein.“Walter Fischli, Biochemiker und Familienvater

Vernetzung von Forschung und Medizin

Als Fischli 1969 sein Studium an der ETH Zürich antrat, stand die Biochemie dort noch ganz am Anfang. Spektroskopie, Kernspinresonanz (NMR) und computerunterstutzte Methoden hielten erst langsam Einzug in die biologische Forschung. Während seiner Doktorarbeit entwickelte Fischli Modellsysteme für erste Fotomarkierungen von Proteinen. Das war Grundlagenforschung und durchaus spannend, aber für den jungen Forscher trotzdem unbefriedigend. „Wissenschaft im luftleeren Raum war nie etwas für mich“, erinnert er sich. „Mich hat vor allem die Anwendung interessiert.“ Der Sprung in die medizinische Anwendung bot sich ihm während eines Postdocs an der Addiction Research Foundation der Stanford University, einem renommierten medizinischen Forschungszentrum in Kalifornien. Fischli hatte an der ETH zuletzt an Enkephalinen geforscht, also an körpereigenen Opioiden. Auf Anhieb fand er eine Stelle im Labor von Avram Goldstein, der in diesem Forschungsfeld bereits Weltruhm erlangt hatte. „Hier war die Vernetzung von Forschung und Medizin schon viel weiter fortgeschritten als an der ETH“, erinnert sich Fischli. „Zugleich war die Forschung sehr viel kompetitiver. Wenn Kollegen an ihren Papers feilten, deckten sie das Geschriebene mit der Hand ab, aus lauter Angst, jemand konnte ihre Ideen stehlen.“ Nach drei Jahren entschied sich Fischli jedoch für die Rückkehr in die Schweiz. Das erste Kind war da und das zweite auf dem Weg. „Es war uns wichtig, wieder in der Nähe der Familie und eines vertrauten Umfelds zu sein.“ Ob sich dies negativ auf seine Karriere auswirken konnte, war für ihn zweitrangig. Später habe er sich während Qualifikationsgesprächen stets über die Frage nach seiner „Karriereplanung“ gewundert. „Ich wollte einfach nur erfolgreich forschen.“

Von Trial-and-Error zum Design

Nach seiner Rückkehr 1982 erhielt Fischli ein Stellenangebot beim Pharmariesen Roche in Basel. „Das war ein Glücksfall, denn damals begannen viele hochkaratige Wissenschaftler für die Pharma zu arbeiten.“ Zugleich brach die Zeit des rationalen Wirkstoffdesigns an, getrieben von neuen Technologien und neuen Erkenntnissen in Medizin und Biochemie. Wirkstoffmoleküle wurden nun sehr gezielt „designt“ und nicht nur wie früher nach dem Trial-and Error-Verfahren aus einem riesigen Fundus an Molekülen selektioniert. 15 Jahre lang arbeitete er in der Forschungsabteilung für Herz-Kreislauf-Krankheiten, unter anderem als Leiter einer zehnköpfigen Forschungsgruppe. Dort lernte Fischli auch seine drei späteren Mitgründer von Actelion kennen: den Kardiologen Jean-Paul Clozel, die Pharmakologin Martine Clozel und den Mediziner und Computerwissenschaftler Thomas Widmann. Ab 1986 forschte Fischlis und Clozels Gruppe an einem neuen Regelmechanismus, dem Endothelin- System. Sie entdeckten Bosentan als Rezeptor-Antagonisten und vielversprechenden Kandidaten gegen Herzinsuffizienz. Doch in der Phase 3 der klinischen Entwicklung gab es Anzeichen für Nebenwirkungen. Roche liess das Projekt zugunsten eines anderen Wirkstoffs fallen. Beim Biochemiker, seinen Kollegen und seiner Kollegin reifte die Idee eines Absprungs. „Wir waren nicht frustriert „, betont Fischli, „aber wir waren überzeugt von unserer Forschung und dem Potenzial der Endothelin-Antagonisten.“ Um diese vom Labor in die Kliniken zu bringen, gründeten sie Actelion.

„Wir waren nie eine Firma, die gegründet wurde, um einfach viel Geld zu verdienen. Wir waren Forscher und Mediziner und wollten in erster Linie ein medizinisches Bedürfnis abdecken.“Walter Fischli, Mitgründer von Actelion

Von Trial-and-Error zum Design

Nach seiner Rückkehr 1982 erhielt Fischli ein Stellenangebot beim Pharmariesen Roche in Basel. „Das war ein Glücksfall, denn damals begannen viele hochkaratige Wissenschaftler für die Pharma zu arbeiten.“ Zugleich brach die Zeit des rationalen Wirkstoffdesigns an, getrieben von neuen Technologien und neuen Erkenntnissen in Medizin und Biochemie. Wirkstoffmoleküle wurden nun sehr gezielt „designt“ und nicht nur wie früher nach dem Trial-and Error-Verfahren aus einem riesigen Fundus an Molekülen selektioniert. 15 Jahre lang arbeitete er in der Forschungsabteilung für Herz-Kreislauf-Krankheiten, unter anderem als Leiter einer zehnköpfigen Forschungsgruppe. Dort lernte Fischli auch seine drei späteren Mitgründer von Actelion kennen: den Kardiologen Jean-Paul Clozel, die Pharmakologin Martine Clozel und den Mediziner und Computerwissenschaftler Thomas Widmann. Ab 1986 forschte Fischlis und Clozels Gruppe an einem neuen Regelmechanismus, dem Endothelin- System. Sie entdeckten Bosentan als Rezeptor-Antagonisten und vielversprechenden Kandidaten gegen Herzinsuffizienz. Doch in der Phase 3 der klinischen Entwicklung gab es Anzeichen für Nebenwirkungen. Roche liess das Projekt zugunsten eines anderen Wirkstoffs fallen. Beim Biochemiker, seinen Kollegen und seiner Kollegin reifte die Idee eines Absprungs. „Wir waren nicht frustriert „, betont Fischli, „aber wir waren überzeugt von unserer Forschung und dem Potenzial der Endothelin-Antagonisten.“ Um diese vom Labor in die Kliniken zu bringen, gründeten sie Actelion.

Mit Einsatz zum Pharma-Blockbuster

Im Dezember 1997 zogen die vier frischgebackenen Unternehmer vom Roche-Hauptsitz in Basel in ein leerstehendes Bürogebäude an der Peripherie, möblierten es mit alten Familienbestande der Clozels und setzten ihren ersten Businessplan auf. Sie waren sich des Risikos bewusst: Alle verliessen trotz Kindern in Ausbildung eine sichere und gut bezahlte Stelle. Das Startkapital schossen sie aus ihrer eigenen Tasche ein; Lohne wurden vorerst keine ausbezahlt. „Das Ganze hatte auch schiefgehen können, aber wir mussten es einfach ausprobieren!“ Fünf Monate nach der Gründung erhielt Actelion von einem Konglomerat aus europäischen Investoren 18 Millionen Franken zugesprochen. Das reichte für den Bau einiger Forschungslabors, fürs Lizenzieren des selbst entdeckten Wirkstoffs von Roche und für eine erste klinische Entwicklung. Zwei Jahre später ging Actelion an die Börse; die Kapitalisierung der Firma betrug bereits 1,2 Milliarden Franken. Dann folgte ein Schock: Bosentan war gegen Herzinsuffizienz wirkungslos, obwohl bis dahin sämtliche Modelle und klinischen Resultate in eine andere Richtung gewiesen hatten. Glücklicherweise erwies es sich aber als äusserst wirksam gegen Lungenbluthochdruck, eine mit weltweit 80 000 Patienten seltene Krankheit, die vor allem junge Frauen und Kinder betrifft. Unbehandelt führt sie bei 50 Prozent der Fälle in zwei bis drei Jahren zum Tod. 2001 erhielt Bosentan die Zulassung für die USA, später auch für Europa, Japan und viele weitere Länder. Das Bosentan- Medikament Tracleer wurde zum Blockbuster, der bald über eine Milliarde Franken jährlich einspielte. „Wir waren nie eine Firma, die gegründet wurde, um einfach viel Geld zu verdienen „, erzählt Fischli. „Wir waren Forscher und Mediziner und wollten in erster Linie ein medizinisches Bedürfnis abdecken.“ – Mit finanziellem Erfolg verhalte es sich ein wenig wie mit der Karriere, ist Fischli heute überzeugt: „Er lasst sich nur bedingt planen.“

Zur Person: Walter Fischli

Walter Fischli studierte Biochemie an der ETH Zürich. Nach einem Doktorat in Peptid- und Biochemie sowie einem Postdoc in der Endorphinforschung wechselte er an die Addiction Research Foundation der Universität Stanford. Nach seiner Rückkehr arbeitete er bei Roche in Basel in der Forschung für neue Herz-Kreislauf-Medikamente. Zusammen mit drei Arbeitskollegen gründete er 1997 Actelion. Seit seiner Pensionierung 2012 unterstützt er durch die Altos Venture AG Start-up-Unternehmen mit Startkapital und Wissen. Zudem fördert die Walter Fischli Foundation Talente und Forschung am Schnittpunkt von Musik und Forschung sowie durch die ETH Zürich Foundation ein Onkologieprojekt von Professor Wilhelm Krek.

Zum Unternehmen

Actelion ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das neue Wirkstoffe entwickelt, diese in klinischen Studien testet und auf den Markt bringt. Actelion vertreibt sechs Produkte, wobei Tracleer gegen Lungenbluthochdruck das erfolgreichste ist. 1997 in Allschwil gegründet, beschäftigt Actelion heute weltweit beinahe 2500 Mitarbeiter; 1000 in Allschwil, wovon 370 in der Grundlagenforschung und Medikamententwicklung arbeiten. Das Unternehmen betreibt 30 Zweigstellen in den USA, Kanada, Brasilien, Australien, Japan und mehreren europäischen Ländern. 2015 betrug der Dreivierteljahresumsatz über 1,5 Milliarden Franken.

 

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